Schlagwort-Archive: 1901

Architektur mit Ausblick: Dachlandschaften

Ernst Ludwig-Haus mit Oktogon und Bildhauerateliers

Jetzt mit dem März geht das Jahr so richtig los: Die Natur hat noch ein wenig Kraft gesammelt, 23 Quer auch, um nun so richtig durchzustarten. Los geht es mit einem Blick auf die faszinierenden Dachlandschaften, die überall auf dem Gelände des UNESCO Weltkulturerbes Mathildenhöhe Darmstadt zu entdecken sind. Wir werden in den nächsten Tagen den Blick von oben und auf oben wagen, dabei manch ausgezeichneter Architektur auf’s Dach steigen. Den Anfang macht das Museum Künstlerkolonie mit seiner modernen Dachlandschaft aus großflächigen Oberlichtern, die die acht Ateliers der Künstler, Bildhauer und Architekten ab 1901 mit perfektem Arbeitslicht von Norden versorgten.

Den besten Blick von oben auf das heutige Museum Künstlerkolonie gibt es von der kleinen Südterrasse des gegenüberliegendem Ausstellungsgebäudes. Noch viel interessanter ist aber ein anderer Aussichtspunkt.

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Am Kamin von Olbrich, die Lichter brennen…

Weihnachtlicher Gruß aus dem Großen Haus Glückert: Ganz ohne Tannenbaum, aber dafür ebenfalls mit vielen brennenden Lichtern.

Denn sehr viele Glühbirnen sind es, die sich links und rechts des gewaltigen Kamins mit seinem bunten Pfauenfeder-Ornament senkrecht die Wand hochziehen und sie wunderbar ausleuchten. Wir sehen hier elektrisches Licht – und das schon seit 1901, seit der bahnbrechenden ersten Ausstellung der Künstlerkolonie Darmstadt. Für uns heute selbstverständlich, war das Licht auf Knopfdruck zur Wende ins 20. Jahrhunderts etwas ungemein Innovatives, der neuste technische Schrei. Den konnte man sich in Darmstadt schon sehr früh gönnen, denn im Stadtzentrum ging bereits 1888 mit der damaligen „Centralstation für elektrische Beleuchtung“ das dritte Elektrizitätswerk der Welt in Betrieb. Das erste hatte der Glühbirnen-Erfinder Thomas Alva Edison 1882 in New York gebaut, das zweite und erste deutsche folgte 1884 in Berlin. Eine technische Errungenschaft, die Joseph M. Olbrich, leitender Architekt der Künstlerkolonie Darmstadt, für seinen Auftraggeber, den Darmstädter Möbelfabrikanten Julius Glückert, mit großer künstlerischer Raffinesse im floralen Jugendstil zum Strahlen bringt.

Olbrichs Erfindung: Ein Flügel mit acht Ecken

Der Gestaltungwille der Künstlerkolonie Darmstadt umfasste viele Bereiche des Lebens und machte auch vor der Musik nicht halt. Insbesondere reizte der Flügel als ein Musikinstrument, das viel Fläche für ornamentalen Schmuck bietet, zur künstlerischen Bearbeitung. War ein Flügel doch integraler Bestandteil der Wohnkultur großbürgerlicher Kreise, gehörte ein repräsentatives Musikzimmer zur Ausstattung eines jeden kunstbeflissenen Hauses. Ein solches besaß selbstverständlich auch Großherzog Ernst Ludwig in seinem Neuen Palais, das sich ehemals auf dem heutigen Georg-Büchner-Platz vor dem Staatstheater befand. Dort stand ab 1906 ein ganz besonderes Tasteninstrument: der „Olbrich-Mand-Flügel“. Erstmals öffentlich vorgestellt wurde er zur ersten Ausstellung der Künstlerkolonie von 1901 auf der Mathildenhöhe.

Eigentlich ist dieser spezielle Flügeltyp gar kein richtiger Flügel, denn ihm fehlt die charakteristische Flügelform, die dem Instrument überhaupt erst seinen Namen gegeben hat. Dieser Flügel hat acht Ecken und ist das Ergebnis einer Zusammenarbeit von Joseph Maria Olbrich mit der vielfach prämierten Klavierbaufirma Mand aus Koblenz. Für die technische Innovation und die neue achteckige Form wurde vom Hersteller sogar ein Patent angemeldet.

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Maßgeschneidert: Das passende Kleid zum Haus

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„Es war mir nie recht verständlich, warum Menschen sich mit der Gestaltung der Kleidung, ihrer zweiten Haut, so wenig abgeben, daß sie sie anderen überlassen und sich dadurch in Abhängigkeiten bringen.“ (OT HOFFMANN, 2003)

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Der Anfang: Patriz Huber – so jung, so reif, so begabt

Schon früh wurde sein großes Talent von Alexander Koch entdeckt: Der Darmstädter Verleger hatte in der „Deutschen Kunst und Dekoration“ wie der „Innendekoration“, die um die Jahrhundertwende zu den führenden Magazinen rund um Fragen der Gestaltung und Inneneinrichtung zählten,kleinere Wettbewerbe ausgeschrieben, um neue kreative Köpfe zu entdecken und bekannt zu machen. Besonders vielversprechend zeigte sich dabei ein junger Künstler, der noch als Student mehrfach erfolgreich an ihnen teilnahm: Patriz Huber.

Mit nur 21 Jahren wurde er 1899 aufgrund seiner Begabung von Großherzog Ernst Ludwig als einer von sieben Künstlern an die Darmstädter Künstlerkolonie berufen. Zusammen mit dem Jüngsten der Gruppe, dem nur 20-jährigen Paul Bürck, bezog er eine kleine Einliegerwohnung im Untergeschoss des Ernst Ludwig-Hauses, dem damaligen Ateliergebäude der Künstler, und richtete die zwei Wohnungen nach eigenen Entwürfen ein. Ein Stockwerk höher besaß er, wie die anderen Künstler, ein eigenes Atelier. Seines befand sich direkt neben dem des Bildhauers Rudolf Bosselt. Hier saß man auch gelegentlich zusammen, wie eine seltene Aufnahme gemeinschaftlichen Lebens und Arbeitens von 1901 in Hubers Atelier zeigt:

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Haus Olbrich 1901 bis 2023: Eine Zeitreise in Bildern

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Große Glückerthaus: Der Kamin mit Pfauenfedern

Noch ein Kamin von der Mathildenhöhe. Und was für einer! Wie schon in seinem Privathaus hat Joseph Maria Olbrich auch für das Große Glückerthaus eine komplette Kaminwand gestaltet. Diesesmal lädt sie allerdings nicht zum gemütlichen Beisammensein in kleiner Runde ein, sondern ist eher der prächtige Mittelpunkt einer ebenso prächtigen Halle. Auch hier geht es wieder um den für Olbrich zentralen Begriff der Gemeinsamkeit im Leben und Arbeiten, für den der Architekt einen entsprechenden Raum einzuplanen hatte. Doch in diesem Fall dienen Halle wie Kamin vor allen Dingen der öffentlichen Repräsentation: Mit ihnen wollte der Darmstädter Möbelfabrikant Julius Glückert in seinem Geschäftsgebäude und Ausstellungshaus glänzen.

Eine gediegene Kaminatmosphäre vor weißer Wand mit dem leuchtenden Blau, Grün und Türkis von langen Pfauenfedern links und rechts und einer ebenso bunten Blumenranke in der Mitte – das ist in seiner Gestaltung bis heute provokant, außergewöhnlich, denkt man etwa an typische Kaminzimmer in dunklem Holz. Vor allen Dingen ist es aber Ausdruck von Luxus, Eleganz und auch ein wenig technischer Finesse für die damalige Zeit. Denn mit 18 Glühbirnen, zu beiden Seiten des Kaminabzugs als Leiste jeweils gekonnt in das Pfauenfedermotiv eingewoben, besaß die Kaminwand sogar eine integrierte Beleuchtung

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Lasst Blumen sprechen!

Es dauert nicht mehr lang: Nur noch wenige Wochen trennen Darmstadt von der großen Entscheidung mit seiner Künstlerkolonie Mathildenhöhe zum UNESCO Weltkulturerbe zu werden. Oder vielleicht doch nicht? Große Zuversicht wechselt sich mit unvermittelten Anflügen von leisem Zweifel. Wir, tatsächlich Welterbe? Aber sicher doch. Die Spannung steigt jedenfalls! Lenken wir uns also ein wenig ab und machen Pause – eine Blaupause.

Das „Blumenhaus“ von Joseph M. Olbrich – eine Blüte als Grundriss.
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Als die Moderne aufblitzte: Viele Funktionen unter einem expressiven Dach

Das Ernst Ludwig-Haus war von Beginn an ein faszinierendes Gebäude, aber auch ein widersprüchliches. Während die Südfassade gänzlich der Präsentation vorbehalten war mit dem vielen Gold an Fenster, Türen und Eingangsbogen, mit seinen monumentalen Treppen und den ebenso gewaltigen Kolossalfiguren, folgte die im kompletten Kontrast dazu stehende Nordfassade ganz den Bedürfnissen der Künstler in ihren Ateliers. Da gab es eine lange Reihe schräg stehender Oberlichter, was zu einem sehr expressiven Gebäudeprofil führte, sowie ein riesiges Atelierfenster in der Mitte mit nicht schöner, aber praktischer Anlieferungspforte unten. Es war ein konsequent funktionaler Bau.

Vielleicht hatte das Ernst Ludwig-Haus ursprünglich aber auch einfach zu viele Funktionen in einem zu erfüllen – als Repräsentationsgebäude der Kunst, als Atelierhaus mit Bildhauerwerkstatt, als festlicher Versammlungsort und Treffpunkt, als Verwaltungssitz und Wohnhaus für Künstler. Und wie wir es von den heute bekannten Multifunktionsgeräten im Büro kennen, sind diese immer ein Kompromiss. Sie können nicht alles gleich gut.

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Eine viel versprechende Fassade: Gold und Gloria für’s Ernst Ludwig-Haus

Heute vor exakt 120 Jahren war nicht nur das Wetter deutlich besser in Darmstadt, auch auf der Mathildenhöhe ging es an diesem Tag besonders festlich zu: Denn am 15. Mai 1901 wurde das Ernst Ludwig-Haus feierlich eingeweiht und zugleich die erste Ausstellung der Darmstädter Künstlerkolonie eröffnet. Die lange Treppe hinauf zum weißen „Tempel der Arbeit“ wurde förmlich zu einer Prozessionsstraße über die man nach dem Ende des feierlichen Weihespiels gemeinsam hinaufzog zum ganz in Gold glänzenden Eingang: vorbei an kolossalen Figuren aus Stein links und rechts, unter goldenen Lorbeerkränzen durchschreitend, die zwei schmale Damen aus Bronze über die Köpfe der Eintretenden hielten, hinein in den „heiligen Schrein“. Denn so muss es allen Beteiligten an jenem herrlichen Frühlingstag vorgekommen sein: Als habe man einem Gottesdienst beigewohnt und betrete nun das Allerheiligste.

Was für eine Pracht!

Die Südfassade des Ernst Ludwig-Hauses verschlägt einem bis heute den Atem. Soviel Pracht, soviel Gold, soviel Schönheit! Dabei wirkt der so überreich dekorierte Eingang überraschenderweise keinesfalls überladen. Vielmehr ist er der passende Kontrast zu der ansonsten flächig weißen, relativ schmucklosen Fassade des insgesamt 55 Meter langen Gebäuderiegels. Alles ist im Gleichgewicht, „in ein inniges Verhältnis gebracht“, das stellte selbst einer von Joseph Olbrichs schärfsten Kritikern, Felix Commichau, 1901 anerkennend fest.

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Ansichtssache: Schöner Wohnen im Souterrain

Hier in diesem Gebäude, das allüberall vom Licht beglänzt und von frischer Luft umweht wird, ist die Anlage eines solch düsteren, dumpfigen Tunnels unbegreiflich.

Ganz schön kritische Worte! Sie gelten dem Untergeschoss des Ernst Ludwig-Hauses und sind in einem dicken Ausstellungsband zu finden, in dem der bekannte Verleger von Kunstzeitschriften, Alexander Koch, 1901 bereits die Darmstädter Premiere zusammenfasste, vorstellte und bewertete. Olbrich was not amused! Doch diese herbe Kritik an seinem an anderer Stelle absolut genialen Ernst Ludwig- Haus muss er sich bis heute gefallen lassen. Denn während man einen Stockwerk höher über einen von vielen Fenstern gesäumten, außen liegenden, hellen Korridor die Ateliers erreicht, erfolgt die Anbindung der unteren Zimmer über einen fensterlosen Flur, der sich im Inneren fast über die ganze Länge des Ateliergebäudes zieht. Durch eine Eingangstür an der östlichen Schmalseite des Gebäudes erhält man Zugang zu dem Flur und seinen an ihm liegenden Räumen.

Von innen war der Zugang 1901 nur über eine äußerst enge Treppe möglich, die unter der Galerie der zentralen Halle seitlich auf kleinstem Raum eingepasst, man ist fast versucht zu sagen „reingequetscht“, wurde. In den Plänen ist sie ursprünglich noch als Wendeltreppe gezeichnet, ausgeführt wurde später eine zweiläufige Stufentreppe. Eine Lösung, die Felix Commichau in seiner Besprechung maßlos enttäuschte:

Von diesem Vor-Raum aus gelangt man zur Treppe, die zum Erd-Geschoss hinunterführt; diese ist unglaublich schmal und erhält zudem weder von unten noch von oben direktes Licht. […]

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Wunderschön unpraktisch: Das Ernst Ludwig-Haus als Atelier und Werkstatt

Eines muss man den ersten sieben der Darmstädter Künstlerkolonie ja lassen: Sie waren unglaublich fleißig – Workaholics würde man sie heute wohl nennen. Was diese sieben kreativen Köpfe von ihrer Gründung als künstlerische Arbeitsgemeinschaft, die sich im Wesentlichen in den Sommermonaten des Jahres 1899 vollzog, bis zur Eröffnung der ersten Ausstellung der Künstlerkolonie am 15. Mai 1901 auf die Beine stellten, war gewaltig. Vielleicht half ihnen bei ihrem enormen Arbeitspensum ja auch die Aussicht auf ein außergewöhnliches Ateliergebäude: das Ernst Ludwig-Haus. Als Tempel der Arbeit thronte es über allem, lud ein zum täglichen Gottesdienst des Gestaltens, will man die schwülstig-pathetischen Reden und das Weihespiel beim Worte nehmen, mit denen es eröffnet wurde.

Großbaustelle Künstlerkolonie: Das Ernst Ludwig-Haus wird auf dem Hügel errichtet.

Ganz so heilig ging es im Alltag dort oben dann wohl doch nicht zu. Schließlich handelte es sich um einen Funktionsbau, in dem die Ateliers der Künstler die wichtigste Rolle spielten. Von Anfang an, bereits vom großherzoglichen Förderer Ernst Ludwig, war solch ein Künstlerheim für die Mitglieder der Künstlerkolonie vorgesehen. Die Umsetzung erfolgte im Eiltempo:  Im Herbst 1899 legte der von Wien nach Darmstadt berufene Architekt Joseph Maria Olbrich los, Ende des Jahres standen bereits die Entwurfspläne und am 24. März 1900 war schon die Grundsteinlegung zu dem weißen Gebäuderiegel, der künftigen Schaltzentrale der Künstlerkolonie.

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Ein Bild von der Moderne: das Ernst Ludwig-Haus

Hocherfreulich ist die formale Ausgestaltung des Gebäudes nach dem Hauptplatze zu. Innerhalb aller Schöpfungen der sogenannten „modernen“ Architektur, stellt sie sich als eine hervorragende Leistung dar, und ist ohne Zweifel das beste, reifste, was Olbrich bisher geschaffen. Die große Front ist von wohltuendem Ebenmaasse. Grosse, stille Ruhe, schwungvolle energische Bewegung sind gegeneinander mit überraschender Sicherheit abgewogen und in ein inniges Verhältnis gebracht.

Die Zeilen, 1901 geschrieben, haben auch heute ihre Gültigkeit nicht verloren. Sie stammen von Felix Commichau, der Autor vieler Texte im Katalog zur ersten Ausstellung der Künstlerkolonie Darmstadt ist, und mit Kritik an anderer Stelle wahrlich nicht sparte. Doch der Südfassade des zentralen Ateliergebäudes der Künstlerkolonie Darmstadt schenkte der Architekturkritiker seinen uneingeschränkten Respekt und Anerkennung.

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Geburt einer Schönheit: Die Künstlerkolonie oder am Anfang war das Wort

Während alle Welt, zumindest die christliche, im Monat Dezember bis 24 zählt, legt 23 Quer bereits heute, einen Tag vor Heiligabend, einen Stopp ein, um ebenfalls von einer Geburt und Aufbruch zu etwas ganz Neuem zu berichten. Denn nichts anderes bedeutete die Gründung der Künstlerkolonie im Jahre 1899 in Darmstadt. Mit ihr heiligte man der Schönheit des Lebens und der Kunst. Das Ateliergebäude war ein Musentempel, der über allem thronte und den man zur Eröffnung so feierlich wie eine Kirche weihte. Ein Hauch von Göttlichem schwebte anfangs über Allem, zelebriert mit einer gehörigen Portion Pathos.

Wenn wir den Blick auf die geistigen Väter und Verkünder der Künstlerkolonie richten, dann fallen vor allen Dingen zu Beginn ganz weltliche Argumente.

„Denn was heute nicht geschieht, kann morgen schon unmöglich sein.“

(Alexander Koch)

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Flowerpower III: Behrens formvollendete Synthese

„Zur konstruktiven Betonung der Flächen-Verhältnisse treten die Lisenen auf, die gleichzeitig den Hauptschmuck der Fassaden, gewissermaßen tektonisch übersetzte Ranken darstellen.“

Wer hätte das gedacht? Die so prägenden wie berühmten senkrechten Keramikbänder des Haus Behrens haben die Natur zum Vorbild. Wie Zweige sollen sie sich zum Dach empor ranken. Daher auch das Grün. Die auffälligen Verblendungen können nur diese Farbe haben, keine andere. Denn hier hat die Flora die Architektur inspiriert. Dies kann man jedenfalls den Worten entnehmen, mit denen Peter Behrens den Besuchern der Ausstellung der Künstler-Kolonie in Darmstadt 1901 seine Villa im Detail beschreibt. Zu jedem der ausgestellten Musterhäuser gab es eine kleine Informationsbroschüre, in dem die Künstler das jeweilige Bauobjekt in seinen Grundrissen und Maßen, aber auch die Inneneinrichtung, die beteiligten Möbelhäuser und Handwerksbetriebe vorstellten. Flowerpower III: Behrens formvollendete Synthese weiterlesen

Flowerpower II: Olbrichs privater Architekturgarten

Für den prägenden Architekten der Darmstädter Künstlerkolonie, Joseph Maria Olbrich, war die Gestaltung der Außenanlagen ebenso wichtig wie der Entwurf eines Gebäudes. Er hatte stets die Gesamtsituation im Blick. Dabei nutzte er das Grün von Sträuchern, Bäumen, Hecken und Rabatten wie einen Zeichenstift, mit dem er ganz gezielt Linien und Perspektiven durch das Gelände zog. Er hatte eine sehr geometrische Herangehensweise, um Natur und Architektur zu verschmelzen. Gut sichtbar wird das auch an dem von ihm entworfenen Plakat für die Ausstellung von 1901, wo zwei stilisierte Bäume im Vordergrund einen vertikalen Rahmen in Grün setzen und im Hintergrund – wohl auch symbolisch für die ersten sieben Künstler der Kolonie – sieben kleinere Bäumchen eine Horizontale vor dem weißen Ausstellungsgebäude bilden.

Nicht nur auf dem Plakat, auch die reale Situation vor dem Ernst Ludwig-Haus ist unter dem Aspekt der Freiflächengestaltung grafisch perfekt durchkomponiert. Flowerpower II: Olbrichs privater Architekturgarten weiterlesen

Flowerpower I: Im Namen der Rose bei Christiansen

Während der eine der Rose gleich sein ganzes Haus widmete, plante der andere akribisch bis ins Detail seinen eigenen Garten. Architektur und Natur, das gehörte für die beiden Künstlerkolonisten der ersten Stunde Hans Christiansen und Joseph Maria Olbrich stets zusammen. Während der Maler und Kunsthandwerker Christiansen diesen Gedanken vor allem in der Gestaltung des Innenraums auslebte, baute der Architekt Olbrich kreativ von der Natur inspirierte Formen, Pflanzen und Grün in die Entwürfe für seine Gebäude ein. Haus und Garten waren eine Gesamtkomposition und verschmolzen zu einem einzigen Kunstwerk des Lebens und Wohnens. Flowerpower I: Im Namen der Rose bei Christiansen weiterlesen

Schlusspunkt einer Achse: Backstein statt roter Rosen

Er muss fantastisch gewesen sein, der Blick von hier hinauf zum Ernst-Ludwig-Haus. Denn dieses Halbrund in der Mauer war einmal der Endpunkt eines bezaubernden Architekturgartens, der in mehreren Terrassen vom hoch gelegenen Atelierhaus der Künstler hinunter zum Prinz-Christians-Weg führte. Wo heute eine Wand aus gemauertem Backstein die Lücke füllt und dichte Nadelhözer eine Durchsicht verwehren, rahmten Pflanzen und Bäume eine Sichtachse, die das Rückgrat für die berühmte erste Ausstellung der Künstlerkolonie von 1901 bildete. Entlang dieser setzte Architekt Joseph Maria Olbrich seine epochal neuen Jugenstil-Villen. Schlusspunkt einer Achse: Backstein statt roter Rosen weiterlesen

In Feierlaune: Karneval vor 120 Jahren

Karneval 1900 - Kuenstlerkolonie

Fast komplett sind sie hier zusammen zu sehen, die glorreichen Sieben des ersten Jahrgangs der Darmstädter Künstlerkolonie. Von links nach rechts amüsieren sich im Februar 1900 mehr oder weniger originell verkleidet Paul Bürck, Rudolf Bosselt, Hans Christiansen, Ludwig Habich, Peter Behrens und Patriz Huber. Da war der „Tempel der Arbeit“ auf der Mathildenhöhe, das Ernst-Ludwig-Haus mit seinen Ateliers, noch nicht fertig. So feierte man vor dem Porzellanschlösschen am Herrngarten, das anfangs als Arbeitsstätte diente.

Einer fehlt auf dem Bild: Joseph Maria Olbrich, der prägende Architekt der Künstlerkolonie und Primus inter Pares. Dieses Bild gibt also auch ein wenig Aufschluss über die Gruppendynamik der kreativen Geister. Dass er hier nicht mitfeiert, dürfe wohl kein Zufall sein, meinen manche Interpreten. Oder hat er das Bild gar geschossen?

(Quelle: Joseph Maria Olbrich, Ausstellungskatalog 2010, S. 158)

Olbrich hatte den Dreh einfach raus

Heberer-Plan 1878 Aussschnitt quer
Vorher: 1878 befindet sich zwischen Platanenhain und der Erbacher Straße ein Park.

Eine Konstante bleibt, egal, welche Karte man sich anschaut von der Mathildenhöhe: der Platanenhain im Norden. 1833 angelegt ist er das älteste Mitglied im städtebaulichen Gesamtkunstwerk. Das langgezogene Rechteck mit seinen regelmäßigen Baumreihen ist immer gut zu erkennen und hilft bei der Orientierung. Darunter hat sich dann viel getan im Laufe der folgenden Jahrzehnte.

Eine der ältesten Zeichnungen von der Höhe, die später so berühmt werden sollte, ist der Heberer-Plan von 1878. Er zeigt die Parkanlage, die auf einem ehemaligem Weinhügel am Rande der Stadt seit 1800 hier entstanden war: Viele Spazierwege schwingen sich in großen Bögen sanft den Hang hinauf. An markanten Kreuzungspunkten sind Pavillons zu sehen, ein kleiner Platz ganz oben. Auch der Hochbehälter des städtischen Wasserwerks, der an der höchsten Stelle von 1877 bis 1880 errichtet wurde, ist bereits eingezeichnet. Olbrich hatte den Dreh einfach raus weiterlesen