„Zur konstruktiven Betonung der Flächen-Verhältnisse treten die Lisenen auf, die gleichzeitig den Hauptschmuck der Fassaden, gewissermaßen tektonisch übersetzte Ranken darstellen.“
Wer hätte das gedacht? Die so prägenden wie berühmten senkrechten Keramikbänder des Haus Behrens haben die Natur zum Vorbild. Wie Zweige sollen sie sich zum Dach empor ranken. Daher auch das Grün. Die auffälligen Verblendungen können nur diese Farbe haben, keine andere. Denn hier hat die Flora die Architektur inspiriert. Dies kann man jedenfalls den Worten entnehmen, mit denen Peter Behrens den Besuchern der Ausstellung der Künstler-Kolonie in Darmstadt 1901 seine Villa im Detail beschreibt. Zu jedem der ausgestellten Musterhäuser gab es eine kleine Informationsbroschüre, in dem die Künstler das jeweilige Bauobjekt in seinen Grundrissen und Maßen, aber auch die Inneneinrichtung, die beteiligten Möbelhäuser und Handwerksbetriebe vorstellten.
Neben diesen Fakten erläutert Behrens in seiner Broschüre eingangs detailliert, welche Prinzipien ihn beim Entwurf geleitet haben. Diesen Zeilen ist deutlich zu entnehmen, wie viel an konzeptioneller Leistung hinter seinem Gebäude steht, wie viel Gedanken er sich über die Anzahl, Aufteilung und Größe der Räume gemacht hat, über die Übergänge von einem zum anderen. Es ist für ihn, den studierten Maler und Typografen, seine erste Arbeit als Architekt – ein großer Wurf, der den Autodidakten mit Anfang dreißig schlagartig in der Fachwelt bekannt machen sollte.
Während Olbrich in seinen insgesamt sieben Wohnhäusern für die Ausstellung Varianten von Dachkonstruktionen und Gebäudestilen fast schon examplarisch vorschlägt, als ein „Kann“, ist das achte Haus, das von Behrens, dem Noch-Nicht-Architekten, ein „Muss“. So muss das Gebäude auf diesem Grundstück unter den gegebenen Bedingungen aussehen. Es ist die beste Lösung, die einzige Lösung. Als ein in sich geschlossenes Konzept, als ein stimmiger und runder Entwurf – so wird das dreistöckige Haus mit seinen geschweiften hohen Giebeln heute wie damals gelobt, trotz aller berechtigter Kritiken am Pathos und Preis, die bei dieser Villa beide sehr hoch waren.
Die Gartenanlagen fügten sich ein in das große Ganze, wie Behrens es auch explizit in seinem kleinen Hauskatalog von 1901 formulierte:
„Im Übrigen war auch die Gestaltung des Gartens den für das ganze Haus geltenden stilistischen Momenten zu unterstellen und es wurde daher im Anschluß an das nach Süden leicht gesenkte Terrain Bedacht darauf genommen, durch Stufen eine Terrassen-Gliederung zu erzielen, welche den Bewegungen und Gruppierungen der hier promenierenden oder verweilenden Personen einen gewissen Rhythmus verleiht.“
„Auch die Garten-Anlage wird von dem Achsen-System bestimmt. Hier führt die Hauptachse von der Straße, wo sie durch zwei Pfeiler betont wird, hinunter zur Bastei, einem Achteck, das als geräumiger, schattiger Aufenthaltsort im Freien gedacht ist. An der Westseite dieses Achtecks befindet sich der Treppen-Ansatz, gegenüber eine Bank. An die Bastei kommt später noch ein Brunnen. Auf der Westseite des Gartens ist ein ein Kinder-Spielplatz vorgesehen, sonst Bosquetts mit vielen blühenden Bäumen.“ (S. 11)
Neben Obrich und Christiansen gilt auch Peter Behrens als einer der bekannten Vertreter einer neuen Gartenkunst. Sein Garten ist ebenfalls ein Architekturgarten, ist nach den architektonischen Prinzipien des Innern komplett durchkomponiert. Wie dort arbeitet er in den Außenbereichen mit einer ausgeklügelten Wegführung, mit Achsen, Treppenstufen und unterschiedlichen Ebenen, fast schon miteinander verwobenen Räumen. Das macht die Qualität seiner Villa aus, aber eben auch die seines Gartens.
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Nachschlag
Nach seinem frühen Wegzug aus Darmstadt 1903 wurde Behrens bald wieder in Sachen Gartenkunst tätig. Als neuer Direktor der Kunstgewerbeschule Düsseldorf schlug er einen „Architektonischen Garten“ als Beitrag für die Internationale Kunst-Ausstellung und Große Gartenbau-Ausstellung vor, die 1904 im und am Kunstpalast Düsseldorf präsentiert werden sollte. Er entwarf dafür Holzzäune, Pergolen und Marmorbänke mit Löwen und Katzen, die Bildhauer und Künstlerkolonie-Kollege Rudolf Bosselt, der ihm ins Rheinland gefolgt war, anfertigte.
Liebe Frau Wochnik,
ganz herzlichen Dank für IhreBeiträge zur und über die Mathildenhöhe. Ich lese sie immer mit großem Intresse und lerne jedesmal etwas Neues, obwohl ich meine, schon viel zu wissen über die Mathildenhöhe und umliegende Dörfer.
Hans Gerhard Knöll, Vorsitzender der Freund der Mathildenhöhe e.V.
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