Archiv der Kategorie: 23 Köpfe: Die Künstler

Die Löwen sind los! Jobst und die „City of Lions“

Darmstadt hat seine Lilien – und Darmstadt hat seine Löwen. Davon wimmelt es im Stadtbild geradezu überall, auf Stadtwappen, über Eingängen, an Brunnen. Von Hunderten gar sprechen die, die sich auf die Löwenjagd am Woog begeben haben und sie zählten. Einer, der besonders gewaltige Exemplare hinterlassen hat, ist der Bildhauer Heinrich Jobst, Mitglied der Künstlerkolonie. Nicht so sehr oben auf der Mathildenhöhe, sondern eher unten in der City sehen wir sein Werk – genauer am Cityring. Dort, vor dem Hessischen Landesmuseum Darmstadt (HLMD), stehen seit 1912 zwei besonders prächtige Exemplare aus seinem Atelier, und lassen heute täglich den Berufsverkehr an sich vorbeiziehen.

Sie sind die Wahrzeichen des Landesmuseums: die zwei Bronze-Löwen mit den langen Mähnen und den beeindruckenden Muskeln, die den Eingang flankieren.
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Das Familiengrab Glückert: ein Kunstwerk von Olbrich

Die Grabstätte Glückert auf dem Alten Friedhof Darmstadt: Jugendstilkunst.

Die Künstlerkolonie Darmstadt hat nicht nur auf der Mathildenhöhe Spuren hinterlassen, sondern auch auf dem Alten Friedhof am Herdweg. So ist Joseph Maria Olbrich nicht nur selbst auf diesem Friedhof begraben (Grabstelle IV C 11), sondern hat dort zu Lebzeiten auch ein einmaliges Kunstwerk des Jugendstils geschaffen: das Grabmal für die Familie Glückert (Grabstelle I G 101).

Fünf Menschen haben hier ihre letzte Ruhestätte gefunden, darunter auch Julius Glückert – der Möbelfabrikant, der gleich zwei der Künstlervillen auf der Mathildenhöhe seinen Namen gegeben hat: Im Kleinen Glückerthaus wohnte er mit seiner Familie. Das Große Haus Glückert gleich nebenan diente über mehrere Etagen als Ausstellungsgebäude für seine modernen vom Jugendstil und den Entwürfen der Künstlerkolonie inspirierten Möbeleinrichtungen. Er genoss internationale Anerkennung, war auf den Weltausstellungen 1900 in Paris und 1904 in St. Louis vertreten und belieferte sowohl den russischen Zarenhof wie das niederländische Königshaus.

Er selbst wurde als letzter seiner Familie 1911 auf dem Alten Friedhof in dieser Grabanlage beigesetzt, die Olbrich bereits um 1901 für ihn entwarf. Der berühmte Architekt war zur Beisetzung des Möbelfabrikanten schon tot, gestorben 1908 mit gerade mal vierzig Jahren.

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Lebensechter Grabstein: Relief von Ludwig Habich

Der November ist traditionell der Monat, in dem 23 Quer gerne mal schaut, was die Mathildenhöhe und die Künstlerkolonie zum Thema Tod und Gräber, zu Särgen und Grabsteinen beizutragen haben. Insgesamt sechs Künstler aus der Riege der Ausstellungsmacher von 1901 bis 1914 fanden in Darmstadt und Umgebung ihre letzte Ruhe (Joseph Maria Olbrich, Ludwig Habich und Daniel Greiner sowie Albin Müller, Heinrich Jobst und Christian Heinrich Kleukens). Zu ihren Lebzeiten waren sie oft auch Gestalter von Ruhestätten zu Ehren anderer Toten. Wie etwa der Bildhauer Ludwig Habich, der auf dem Alten Friedhof von Darmstadt eben nicht nur selbst begraben ist (Grabstelle I D 121a), sondern sich dort auch künstlerisch verewigt hat. Von ihm stammt das Bronzerelief, das den Grabstein des Darmstädter Schriftstellers Gottfried Schwab ziert (Grabstelle IV Mauer 116) und ein sehr lebensechtes Portrait von ihm zeigt:

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Alles wurde unaufhörlich teurer, 1922 wohlgemerkt. Auch für Albin Müller, den letzten leitenden Architekten der Künstlerkolonie Darmstadt, der spürbar unter den Folgen der galoppierenden Inflation vor hundert Jahren litt. Das Honorar, eben noch ausgehandelt mit seinen Auftraggebern, war nach Fertigstellung seiner Entwürfe kaum noch etwas wert. Nur mühsam hielt er sich und seine Famile noch über Wasser. In seiner Autobiographie „Aus meinem Leben“ erinnert sich der Künstler viele Jahre später, dass die Preise aller lebensnotwendigen Materialien Anfang der Zwanziger Jahre so hoch stiegen, „daß die meisten Deutschen sie nicht zahlen konnten. So war es auch mit dem Holz. Es wurde so teuer, daß viele die Kosten für den Sarg ihrer Verstorbenen nicht mehr aufbringen konnten. In den Großstädten wurde vielfach ein Sarg nur als A[t]trappe zur Aufbahrung benutzt, der Tote aber ohne Sarg beerdigt.“

Da kam ihm eine Geschäftsidee.

Diese Notlage brachte mich auf den Gedanken, eine Sargform zu schaffen, bei dem nur ein ganz geringes Quantum Holz als dünnes Leistengestell gebraucht wurde, das übrige aber aus Papierfaserstoffgewebe – Ersatz für Leinwand – bestand. #/# (Albin Müller, S. 161)

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Behrens goes future: Die World Design Hauptstadt

Als sich im Oktober 1907 der Deutsche Werkbund in München gründete, waren unter den zwei Dutzend Gründern aus Künstlern und Unternehmern drei Namen von der Darmstädter Künstlerkolonie: der Architekt Joseph Maria Olbrich, der Keramiker Jakob Julius Scharvogel sowie der Gestalter und Architekt Peter Behrens. Sie wollten weg vom industrialisierten Kunstgewerbe hin zu technisch wie ästhetisch hochwertiger Qualitätsproduktion, eine Formgebung, die sich dem Zweck anpasst. Das berühmte spätere „Form follows function“ hatte hier seine Ursprünge, auch die „Neue Sachlichkeit“ in der Architektur. Insbesondere der Name Behrens ist aufs Engste mit dem Deutschen Werkbund verknüpft. Er sollte als ein Pionier des Industriedesigns und Erfinder der Corporate Identity in die Designgeschichte eingehen, vor allem mit seinen Entwürfen für die AEG, vom Ventilator bis zur Werkshalle. In seinem Büro haben später so berühmte Architekten der Moderne wie der Bauhaus-Gründer Walter Gropius, Mies van der Rohe oder Le Corbusier gearbeitet.

Der Deutsche Werkbund und die Künstlerkolonie Mathildenhöhe sind also auf jeden Fall historisch miteinander über ihr gemeinsames Personal und auch das Anliegen, den Alltag durch Gestaltung zu veredeln, verbunden. Auch räumlich ist man sich nahe: Darmstadt war und ist beiden Sitz und Zentrale. Und was die Zukunft angeht, bringt eine große internationale Bewerbung gerade einiges in Bewegung: die zur „World Design Capital – Frankfurt RheinMain 2026“. Die Inititiative zu dieser Bewerbung stammt von der Werkbundakademie (wba) in Darmstadt. Die Bewerbung für die Region erfolgt zentral von Frankfurt aus – vergleichbar etwa mit der Bewerbung Essens als Europas Kulturhauptstadt stellvertretend für das gesamte Ruhrgebiet vor einigen Jahren.

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„The good die young“: Joseph Maria Olbrich

So unerwartet wie plötzlich verstarb Joseph M. Olbrich am 8. August 1908 in Düsseldorf. Der führende Kopf der Darmstädter Künstlerkolonie wurde mitten aus der Arbeit, aus seinem Leben gerissen, hinterließ seine Frau Claire und sein gerade geborenes, erstes Kind, eine Tochter. Er wurde nur 40 Jahre alt. Auf dem Alten Friedhof von Darmstadt fand nur wenige Tage später, am 12. August, die Beisetzung statt. Seine Totenmaske zeigt ein letztes Bild des Schwerkranken, den eine Leukämie in kürzester Zeit dahinraffte. Genau 114 Jahre ist das heute her. Es war damals ein Samstag, an dem er zu früher Nachmittagsstunde für immer von dieser Welt ging.

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Aufschlussreich: Albin Müllers Autobiografie

Eine Gemeinschaft gleichgesinnter Kreativer, ein freundschaftlicher Zusammenschluss unter Künstlern – daran denkt man wohl zuerst bei einer Künstlerkolonie. So ging es auch Albin Müller als er dem Ruf von Großherzog Ernst Ludwig folgte, von der Magdeburger Kunstgewerbeschule an die Mathildenhöhe wechselte und dort zum 1. Oktober 1906 neues Mitglied der Künstlerkolonie Darmstadt wurde. Doch – „meine Hoffnungen und Bemühungen schlugen von Anfang an und in der ganzen Folgezeit fehl.“

Ich hatte in weltfremder, idealistischer Auffassung von einer harmonischen Künstlergemeinde, von reger gegenseitiger Anregung, von einem Eintreten füreinander geträumt, und sah mit Trauer, daß sich davon nichts in der realen Welt verwirklichen ließ.

Künstler sind mehr als andere Menschen Individualisten. Sie müssen es sein um des persönlichen Ausdrucks ihrer Kunst willen. So platzen in ihren Reihen die Meinungen und Anschauungen stärker aufeinander als in anderen Berufsgruppen.

Von der ersten Generation der Darmstädter Künstlerkolonie existieren Briefe aus der Feder Joseph Maria Olbrichs, die tiefe Einblicke in die Zerrissenheit der Ausstellungsmacher von 1901 geben, insbesondere in Bezug auf das Verhältnis des Architekten zu Peter Behrens. Für die Zeit von Albin Müller, dem Nachfolger und zweiten Chefarchitekten der Künstlerkolonie, verfügen Historiker ebenfalls über ein sehr persönliches Dokument: seine viele Jahrzehnte später, Ende 1939, verfasste Autobiografie „Aus meinem Leben“.

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Große Glückerthaus: Der Kamin mit Pfauenfedern

Noch ein Kamin von der Mathildenhöhe. Und was für einer! Wie schon in seinem Privathaus hat Joseph Maria Olbrich auch für das Große Glückerthaus eine komplette Kaminwand gestaltet. Diesesmal lädt sie allerdings nicht zum gemütlichen Beisammensein in kleiner Runde ein, sondern ist eher der prächtige Mittelpunkt einer ebenso prächtigen Halle. Auch hier geht es wieder um den für Olbrich zentralen Begriff der Gemeinsamkeit im Leben und Arbeiten, für den der Architekt einen entsprechenden Raum einzuplanen hatte. Doch in diesem Fall dienen Halle wie Kamin vor allen Dingen der öffentlichen Repräsentation: Mit ihnen wollte der Darmstädter Möbelfabrikant Julius Glückert in seinem Geschäftsgebäude und Ausstellungshaus glänzen.

Eine gediegene Kaminatmosphäre vor weißer Wand mit dem leuchtenden Blau, Grün und Türkis von langen Pfauenfedern links und rechts und einer ebenso bunten Blumenranke in der Mitte – das ist in seiner Gestaltung bis heute provokant, außergewöhnlich, denkt man etwa an typische Kaminzimmer in dunklem Holz. Vor allen Dingen ist es aber Ausdruck von Luxus, Eleganz und auch ein wenig technischer Finesse für die damalige Zeit. Denn mit 18 Glühbirnen, zu beiden Seiten des Kaminabzugs als Leiste jeweils gekonnt in das Pfauenfedermotiv eingewoben, besaß die Kaminwand sogar eine integrierte Beleuchtung

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Haus Olbrich: Das Kamin-Häuschen in der Halle

Der Kamin im Haus Olbrich: mehr als nur eine Feuerstelle.

Jetzt wird es kuschelig und warm! Schließlich ist Winter – und so versammelt 23 Quer nun alle Leser:innen um den Kamin. Denn um den geht es in diesem Beitrag, und die besondere Rolle von Kaminen in den Künstlervillen auf der Mathildenhöhe. Ein ganz besonders schönes Exemplar hat Joseph Maria Olbrich für sein eigenes Haus entworfen. Sein wie immer wunderbares Aquarell zeigt viele Details und vermittelt mit einer enormen Farbigkeit das wohnliche Raumgefühl dieses einladenden Wohnobjekts. Olbrich hat hier eine ganze Kaminwand entworfen, die optisch wie ein kleines Häuschen im Haus Olbrich gestaltet ist.

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Das zerlegbare Ferienhaus: Fertigteil-Montage, ruck zuck aus Holz gebaut

Holz ist ja nicht gerade das Baumaterial, das einem als erstes einfällt, wenn man an die großen Würfe und Entwürfe der Künstlerkolonie denkt. Farbig glasierter Backstein, Klinker und Beton, damit haben die Architekten der Darmstädter Mathildenhöhe Zeichen gesetzt bei ihrem Aufbruch in die Moderne. Aber mit Holz?

Dabei ist der Künstlerkolonie gerade mit Holz ein absolut wegweisender Entwurf gelungen. Nur: Davon ist heute nichts mehr zu sehen. Denn es war ein temporäres Gebäude, zeitlich befristet für die Ausstellung aufgebaut, das den Besuchern zeigte, was mit diesem Material alles machbar ist und wie gut Holz sich zur Vorfabrikation und schnellen Montage von Häusern eignet. Albin Müller, früherer Tischlermeister und Möbelgestalter, war der Holzexperte unter den vier Architekten der Künstlerkolonie, und für die Ausstellung von 1914 hatte er sich als deren Leiter etwas ganz besonderes ausgedacht: ein zerlegbares Ferienhaus.

Innovatives Holzbauprojekt von Albin Müller: das zerlegbare Ferienhaus von 1914.
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150 Jahre Albin Müller: Happy Birthday, Meister!

Jetzt müssen wir ihm doch noch ganz schnell gratulieren zum runden Geburtstag. Denn vor genau 150 Jahren, am 13. Dezember 1871, wurde Albin Müller in einem Dorf im sächsischen Erzgebirge geboren. Und wenn wir nicht mitten in der vierten Corona-Welle wären, dann hätte das Institut Mathildenhöhe zur Feier des Tages heute, an einem Montag, seine Pforten ausnahmsweise ihm zu Ehren geöffnet. Es hätte ein Sonderprogramm gegeben, mit speziellen Führungen, mit herausragenden Rednern und vielen Vorträgen rund um die aktuelle Ausstellung im Ernst Ludwig-Haus, die dieses Jahr auch wegen des Jubiläums ausschließlich ihm und seinem reichen Werk als Architekt, Gestalter und Lehrer gewidmet ist.

Doch es sollte nicht sein – und irgendwie ist das fast schon wieder symptomatisch für Albin Müller, dem leitenden Architekten der späteren Darmstädter Künstlerkolonie und der Ausstellungen von 1908 bis 1914: der soviel gestaltet hat auf dem berühmten Hügel und von dem nur noch so wenig erhalten ist. Für die Mathildenhöhe ist er mindestens genauso bedeutend wie Olbrich oder Behrens, doch stand er immer in beider Schatten. Dabei war er ein ausgesprochen innovativer Geist, vor allen Dingen im Holzbau, wo er früh schon mit Fertigbauelementen experimentierte. Ob Tiny House oder Home Office im Ateliergebäude – vieles von den heute modernen Wohnraumkonzepten kann man bei Albin Müller schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts finden.

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In Memoriam II: Noch drei Künstler, noch drei Gräber

Von den 23 Künstlern der Künstlerkolonie Darmstadt haben sechs ihre letzte Ruhestätte in Darmstadt und der näheren Umgebung gefunden. Vor einem Jahr hat 23 Quer die Gräber der Gründergeneration und frühen Künstlerkolonisten der Ausstellungen von 1901 und 1904 besucht und ihrer besonders gedacht. Nach dem ersten Teil über Joseph Maria Olbrich, Ludwig Habich und Daniel Greiner aus dem November 2020 folgt nun der zweite: Er führt ebenfalls zu drei Gräbern bedeutender Künstler: Sie haben für die Ausstellungen von 1908 und 1914 Großes geleistet. Vor langer Zeit sind sie gestorben. Doch uns haben sie so viel Bleibendes von außergewöhnlichem Wert hinterlassen, dass es nun sogar schützenwert für die gesamte Menschheit, UNESCO Weltkulturerbe, ist.

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Zeichen setzen: Müllers Villa am Platanenhain

Sie war wirklich nicht zu übersehen. Wer in den Jahren zwischen 1911 und 1944 auf die Mathildenhöhe ging, dessen Blick auf Ausstellungsgebäude und Hochzeitsturm streifte unweigerlich diese Villa: das Haus Albin Müller. Ähnlich wie sein Vorgänger im Amt, Joseph Maria Olbrich, hatte auch Albin Müller seinen privaten Wohnsitz auf dem Gelände der Künstlerkolonie errichtet – und zwar in prominenter Lage, direkt am Eingang vor dem Platanenhain. Heute ist davon nichts mehr vorhanden: Grüne Wiese erstreckt sich dort, wo einst der Chefarchitekt und künstlerische Leiter der Mathildenhöhe residierte.

Städtebaulich war das Projekt nicht unumstritten, veränderte der Neubau, der zwischen 1911 und 1912 errichtet wurde, doch erheblich die Gesamtwirkung des Mathildenhöhe-Ensembles. Deutlich ist aber auch zu sehen, wie sehr Müller seinen Entwurf auf das dominante Ausstellungsgebäude von Olbrich abstimmte, indem er dessen langgezogene Säulenreihen für die vordere Fensterfront zitierte oder auch die Form des Pyramidendachs aufgriff. Er hatte seinen Neubau durchaus eingebunden in das Vorhandene, aber zweifelsohne ein starkes Zeichen seiner Rolle an dieser Stelle gesetzt. Gut dreißig Jahre, bis zu seinem Tod 1941, lebte Albin Müller in diesem privaten Refugium auf der Mathildenhöhe.

Haus Albin Müller (1911 – 1944) – eine stattliche Villa direkt vor dem Platanenhain.

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Der ältere Bruder hätte es verdient: Friedrich W. Kleukens statt Christian H.

Bis zum 5. November kann jeder noch Vorschläge einreichen für die Neubenennung von acht Straßen in Darmstadt. Deren bisherige Namensgeber haben einer Überprüfung der Stadt nicht Stand gehalten, ein Fachbeirat kam in einem ausführlichen und mit aller Sorgfalt erstellten Bericht 2018 zu dem Ergebnis, dass ihre Einstellung mit den Werten einer freiheitlich demokratischen Gesellschaft nicht vereinbar seien. Der Magistrat der Stadt Darmstadt hat sich dessen Empfehlungen angeschlossen und am 8. Mai 2019 für eine Umbenennung votiert. Unter den acht Namen ist auch der eines Mitglieds der Künstlerkolonie Darmstadt: Christian Heinrich Kleukens. Bei ihm wurde die Umbenennung vom Fachbeirat einstimmig beschlossen, da er nachweisbar in mehreren NS-Organisationen nicht nur aktiv tätig war, sondern dort auch Karriere gemacht hat und aktiv für die NS-Ideologie eingetreten ist.

Doch den Namen „Kleukens“ gab es gleich zweimal auf der Mathildenhöhe. Und der andere, der Ältere, war für die Künstlerkolonie eigentlich der viel bedeutendere: Friedrich Wilhelm Kleukens. Er bietet sich als neuer, alter Namensgeber geradezu an.

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Aus dem Schatten ans Licht: ‚albinmüller hoch 3‘

UNESCO-Welterbe: Das Ateliergebäude von Albin Müller (Foto: Nikolaus Heiss).

Er ist der ewig Unsichtbare unter den großen Architekten, die Anfang des 20. Jahrhunderts auf der Mathildenhöhe gewirkt und sie erst zu dem einmaligen Ort von außergewöhnlichen Wert für die Menschheit gemacht haben – und Darmstadt damit zur UNESCO-Welterbestätte. Von 1908 bis zur letzten Ausstellung von 1914 war Albin Müller der Chefarchitekt der Darmstädter Künstlerkolonie. Er hat auf ihr deutliche Spuren hinterlassen, nur dass man von seinen vielen Gebäuden und Entwürfen heute nur noch einen Bruchteil sieht, während das meiste von Joseph Maria Olbrichs Bauten noch steht. So war er stets ein wenig im Schatten des berühmten Vorgängers, eine unterschätzte Figur der Mathildenhöhe.

Umso wichtiger ist diese Ausstellung jetzt, die im Ernst Ludwig-Haus den weithin vergessenen Architekten würdigt: albinmüller3 – Architekt, Gestalter, Lehrer. „Der 150. Geburtstag von Albin Müller hat als Jubiläum schon lange in unserem Terminkalender für 2021 gestanden, doch dass wir diesen nun zeitgleich mit der Anerkennung zum Welterbe feiern, das hat keiner vorhersehen können und fügt sich nun sehr glücklich ins Konzept“, freut sich Philipp Gutbrod, Direktor vom Institut Mathildenhöhe Darmstadt. Denn vor allen Dingen die Gestalter von Architektur und Außenanlagen der Mathildenhöhe haben dazu beigetragen, dass man das UNESCO-Kriterium der „Authenzität“ erfüllen konnte. Unter den insgesamt 23 Köpfen der Künstlerkolonie sei Albin Müller einer der herausragenden Namen, so Gutbrod, ebenso bedeutend für Darmstadt wie Olbrich oder Peter Behrens.

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Welch ein grandioser Aufstieg, was für ein abruptes Ende! Er ist gerade 40 Jahre alt, hat eben einige seiner schönsten und reifsten Bauten errichtet, da rafft ihn eine Leukämie innerhalb weniger Tage in Düsseldorf dahin. Joseph M. Olbrich stirbt am frühen Samstagnachmittag des 8. August 1908. Der vor Energie und Einfallsreichtum nur so sprühende Architekt des frühen 20. Jahrhunderts und der kreative Kopf hinter der ersten Bauausstellung der Welt, der der Künstlerkolonie von 1901 in Darmstadt, ist tot. Für alle, auch seine schärfsten Kritiker, ist die Nachricht unfassbar.

Joseph M. Olbrich um 1907/1908

Zum heutigen Todestag von Joseph M. Olbrich möchte 23 Quer eines Manns gedenken, der sich immer zuerst als Künstler sah und trotz aller moderner und funktionaler Züge in seinem unglaublich reichen Werk nie Massenware, sondern immer Unikate mit einer ganz eigenen Handschrift schuf – darunter viele Meisterwerke der modernen Architektur. Sie sind alle unverwechselbar Olbrich, so auch seine Bauten auf der Mathildenhöhe.

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„Wir danken Euch allen!“ 23 Köpfe und ihr Weg in die Moderne. Ein Portrait.

Die TET-Stadt: Hoetgers ägyptisch inspirierte Monumental-Utopie

Für ein Kuriosum in der Architekturgeschichte sorgte Künstlerkolonist Bernhard Hoetger nur wenige Jahre nach seiner Zeit auf der Darmstädter Mathildenhöhe. Dem Keksfabrikanten Hermann Bahlsen entwarf er mitten im Ersten Weltkrieg ein monumentales Stadtviertel für Hannover, das mit dem Bauelementen aus dem Land der Pharaonen spielte, geweiht der einzigartigen Göttin des TET, dem Markenzeichen der Firma.

TET steht für eine ägyptische Hieroglyphe, die sich aus den drei Zeichen für Kobra, Brotlaib und Erde zusammensetzt und „ewig dauernd“ bedeutet. Diese Kartusche hatte sich die Firma Bahlsen 1903 als trendiges Markenzeichen für ihr ausgesprochen haltbares Buttergebäck eintragen lassen, das anfangs noch „Leibniz Cakes“ hieß. Später wurde es in das lautsprachlich gleiche „Leibniz Keks“ umgewandelt, und verhalf damit einer ganzen Backwarengattung zu ihrem deutschen Namen. Die ägyptische Kartusche mit dem TET ziert bis heute die Butterkekse von Bahlsen und auch das Firmenlogo.

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In memoriam: Drei Künstler, drei Gräber

November ist traditionell der Monat, um der Toten zu Gedenken. Nach Allerheiligen und dem Volkstrauertag beendet der Totensonntag die Reihe, der letzte Sonntag des Kirchenjahres. Auch 23 Quer will diesen Monat der allgemeinen Trauer dazu nutzen, um für einen kurzen Moment inne zu halten und an die großen, vor langer Zeit gestorbenen Künstler zu erinnern, denen wir heute in Darmstadt so viel zu verdanken haben. Ohne sie gäbe es diesen wundervollen Musenhügel über der Stadt nicht, ohne sie hätte Darmstadt keine Kunst- und Architekturgeschichte geschrieben, ohne ihren so schöpferischen Geist gäbe es keine Bewerbung um ein UNESCO Welterbe: die Architekten, Bildhauer und vielen Gestalter der Künstlerkolonie.

23 waren es insgesamt. Von der Gründergeneration der Künstlerkolonie und den Machern der Ausstellungen von 1901 und 1904 sind es drei Künstler, die ihre letzte Ruhestätte in Darmstadt und dem Landkreis fanden. 23 Quer hat ihre Gräber besucht.

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