Große Glückerthaus: Der Kamin mit Pfauenfedern

Noch ein Kamin von der Mathildenhöhe. Und was für einer! Wie schon in seinem Privathaus hat Joseph Maria Olbrich auch für das Große Glückerthaus eine komplette Kaminwand gestaltet. Diesesmal lädt sie allerdings nicht zum gemütlichen Beisammensein in kleiner Runde ein, sondern ist eher der prächtige Mittelpunkt einer ebenso prächtigen Halle. Auch hier geht es wieder um den für Olbrich zentralen Begriff der Gemeinsamkeit im Leben und Arbeiten, für den der Architekt einen entsprechenden Raum einzuplanen hatte. Doch in diesem Fall dienen Halle wie Kamin vor allen Dingen der öffentlichen Repräsentation: Mit ihnen wollte der Darmstädter Möbelfabrikant Julius Glückert in seinem Geschäftsgebäude und Ausstellungshaus glänzen.

Eine gediegene Kaminatmosphäre vor weißer Wand mit dem leuchtenden Blau, Grün und Türkis von langen Pfauenfedern links und rechts und einer ebenso bunten Blumenranke in der Mitte – das ist in seiner Gestaltung bis heute provokant, außergewöhnlich, denkt man etwa an typische Kaminzimmer in dunklem Holz. Vor allen Dingen ist es aber Ausdruck von Luxus, Eleganz und auch ein wenig technischer Finesse für die damalige Zeit. Denn mit 18 Glühbirnen, zu beiden Seiten des Kaminabzugs als Leiste jeweils gekonnt in das Pfauenfedermotiv eingewoben, besaß die Kaminwand sogar eine integrierte Beleuchtung

Bei dieser zweigeschossigen Halle mit dem gewaltigen, deckenhohen Kamin, der die Menschen davor sehr klein wirken lässt, handelt es sich definitiv nicht um ein intimes, privates Ambiente des gemeinschaftlichen Zusammenlebens und Austauschs wie etwa beim Haus Olbrich. Sie lädt vielmehr dazu ein, sich hier öffentlich zu versammeln, zu Vorträgen, Ausstellungen und Vorführungen jeglicher Art. Das werden wir auch bald wieder erleben können, denn nach Pandemie und erfolgter Sanierung soll die Halle wieder der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, so die Pläne der Stadt.

In kaum einer anderen Villa der Künstlerkolonie kann man die Raumkunst Olbrichs so atmosphärisch und originalgetreu nachempfinden wie in der Halle vom Großen Glückerthaus. Was wir heute sehen, ist eine Reproduktion des originalen Zustands von 1901, die von 1965 bis 1968 nach alten Plänen und Bildern angefertigt wurde. Denn Olbrich hat diese Halle gleich zweimal für Glückert gestaltet. Das „echte“, weil letztes Original aus Olbrichs Hand, stammt von später, von 1908. Die Möbel dieser zweiten Gestaltung sind aus weiß lackiertem amerikanischen Pappelholz. Sie schmücken heute das zentrale Foyer im Museum Künstlerkolonie.

Mit der Zurücksetzung in den alten Zustand von 1901 erhielt die Halle des Großen Glückerthauses auch ihre schwungvolle Treppe wieder zurück, die von einer Galerie oben in großem Bogen förmlich in die Halle unten hineinfließt. Wie die Kaminwand ist auch die Treppenseite der Halle mit einem großen Rundbogen betont, der mit einem blau-weißes Schachbrettmuster farblich abgesetzt ist. Diese beide Bögen fassen Kaminwand und Treppe wie in einem überdimensionalen Bilderrahmen, der ihre Bedeutung im Raumgefüge und für die Halle, den zentralen Raum des Hauses, herausstellt und optisch in Szene setzt.

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Literatur

Michaela Braesel: Die Halle. Ideen der Gemeinschaft um 1900 und ihre Umsetzung in räumlicher Form. In: ICOMOS: „Eine Stadt müssen wir bauen, eine ganze Stadt“, Hefte des Deutschen Nationalkomittees, LXIV, S. 45 – 60

Stadt Darmstadt, Kulturverwaltung und Hochbau- und Maschinenamt: Mathildenhöhe Darmstadt. 100 Jahre Planen und Bauen für die Stadtkrone 1899-1999, Band 1: Die Mathildenhöhe – ein Jahrhundertwerk, Darmstadt, 1999, 2. Auflage, 2004 (Hier: Großes Glückert-Haus, Renovierung des Hauses, S. 94 – 98)

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