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Buchtipp: „Steine für die Ewigkeit“ – Jugendstil von Daniel Dell in Griesheim

Ein Bildhauer, der weithin unbekannt ist, aber in engem Zusammenhang mit der Mathildenhöhe Darmstadt und der Künstlerkolonie steht, war in Griesheim Zuhause: Sein Name ist Daniel Dell. Er kannte die Bildhauerateliers der Künstlerkolonie gut, hat die Künstler Ludwig Habich und vor allen Dingen Heinrich Jobst unterstützt, für den er zahlreiche Arbeiten ausführte, glaubt man der zeitgenössischen Presse. Obwohl er nie offiziell zur Künstlerkolonie gehörte, hat ihn die Künstlerkolonie Darmstadt geprägt, von der er sich deutlich inspirieren ließ. Die Griesheimer Kunsthistorikerin Heike Jakowski hat sich intensiv mit Daniel Dell (1868 – 1941) auseinandergesetzt und nun ein Buch veröffentlicht, das erstmals Leben und Werk dieses relativ unbekannten Jugendstilbildhauers umfassend würdigt.

Seine „Steine für die Ewigkeit“, so der Buchtitel, kann man bis heute im Griesheimer Friedhof bestaunen. Die meisten der über 80 historischen Grabdenkmäler dort stammen von ihm und stellen einen einzigartigen Schatz für die Region dar. Ein Spaziergang entlang der alten Friedhofsmauer gleicht förmlich einem Gang durch einen Skulpturenpark. Eine erste Führung der Autorin, zu der der Darmstädter Verein Freunde der Mathildenhöhe am 25. Mai eingeladen hatte, fand großen Anklang. Mehr als 40 Teilnehmer ließen sich von der hohen Steinmetzkunst aus Griesheimer Werkstatt beeindrucken, die für einen Friedhof in seiner Vielfalt und Qualität einmalig ist im Landkreis Darmstadt-Dieburg.

An nicht wenigen Stellen auf dem Gelände sind Bezüge zur Mathildenhöhe herzustellen: Man stand sichtbar im gegenseitigen Austausch, Dell in seiner Griesheimer Werkstatt in der Frankfurter Straße und die Bildhauer in Darmstadt auf der Mathildenhöhe. Etliche Motive und Formen sind von dem, was er in Darmstadt sah, inspiriert. Im Detail ist das alles wunderbar nachzulesen in dem reich bebilderten Band von Heike Jakowski, der ebenfalls eingeht auf die damaligen Gepflogenheiten der Bestattungskultur und wie diese im Rahmen allumfassender Reformbewegungen zu Beginn des 20. Jahrhunderts neu gedacht wurden.

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150! Happy Birthday, Edmund Körner

Viel steht ja nicht mehr von Dir auf der Mathildenhöhe. Blumenvasen im Neo-Barock und eine einsame Bank, auf der wir uns niederlassen können, um Deiner kurz zu gedenken, bevor er schon wieder vorbei ist: Dein Geburtstag. 150 Jahre ist das her, ein weiteres Jubiläum in diesem jubiläumsreichen Jahr 2024. Der Jahrgang 1874 war deutlich überrepräsentiert in der Künstlerkolonie: Bernhard Hoetger am 4. Mai, Heinrich Jobst am 6. Oktober und nun auch Du, am 2. Dezember. Alle hattet Ihr Euren 150. Geburtstag in 2024. Du bist der letzte Jubilar, den wir feiern, Edmund. Das wird 23 Quer auch noch gebührend tun nach Deinem Geburtstagsmonat. Denn nicht Wenige haben zur Ausstellung von 1914 sehr bedauert, dass ein so bedeutender Architekt nur Temporäres auf der Mathildenhöhe hinterlassen durfte. Wo Du doch in Essen ein Gigant Deiner Disziplin warst, weltberühmt wegen des Baus von Europas größter Synagoge, mit dem Du auch den Großherzog Ernst Ludwig auf Dich aufmerksam gemacht hattest.

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Ein Mausoleum von Jobst, das nie gebaut wurde weiterlesen

Heinrich Jobst oder drei Bayern in Bad Nauheim

Fast jeder Künstler, der zur Ausstellung von 1908 Mitglied der Darmstädter Künstlerkolonie war, hat sich an des Großherzogs großem Bauprojekt dieser Jahre beteiligt: den neuen Kuranlagen von Bad Nauheim. Ernst Ludwig hatte zum Leiter der eigens dafür geschaffenen Baubehörde den in Darmstadt geborenen und an der Technischen Hochschule ausgebildeten jungen Architekten Wilhelm Jost benannt. Dieser schuf zwischen 1905 und 1911 mit dem „Sprudelhof“ und der Trinkkuranlage in Bad Nauheim ein einmaliges Ensemble, das basierend auf Vorbildern der Renaissance und des Barock durch die Elemente des Darmstädter Jugendstils späterer Ausprägung seine ganz eigene Architektursprache fand.

Es entstand wie schon in Darmstadt auf der Mathildenhöhe auch in Bad Nauheim ein Gesamtkunstwerk, zu dem mit dem Bildhauer Heinrich Jobst, dem Keramiker Jakob Julius Scharvogel, dem Schmiedekünstler Ernst Riegel, dem Glasmaler Friedrich W. Kleukens und dem Gestalter Albin Müller gleich fünf der sieben großen Namen der Künstlerkolonie von 1908 beitrugen und das gestalteten, was bis heute ein architektonisches Juwel darstellt. Jobst hat dabei im „Sprudelhof“ seine Akzente gesetzt, mit den Arbeiten für die Badehäuser 2 und 7, mit dem Hessischen Löwen aus Bronze, vor allen Dingen aber mit der Einfassung der Sprudel im zentralen Innenhof der Anlage, darunter der „Große Sprudel“ von Bad Nauheim. Hier hat er sich mit seinem Entwurf im Wettbewerb sogar gegen den leitenden Architekten Jost durchsetzen können.

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Gruppenbild mit Raubtier: die Familie Jobst heute

Das Künstler-Gen hat er anscheinend nicht weitergegeben: Unter seinen Nachfahren hat keiner mehr den Weg eines Bildhauers eingeschlagen. Das war bei ihm noch anders. Heinrich Jobst selbst war Sohn eines Steinmetzes, als er am 6. Oktober 1874 im bayerischen Schönlind nördlich von Regensburg auf die Welt kam. Jung, direkt nach der Schulzeit trat er mit 14 Jahren in die Fußstapfen seines Vaters, wurde zunächst Steinmetz und anschließend an der Münchner Kunstakademie zum Bildhauer ausgebildet. Spät, erst mit 50 Jahren, hat er am 19. November 1924 geheiratet, eine Frau, die erheblich jünger war als er. Der Altersunterschied zwischen ihm und Felicitas Jobst betrug 22 Jahre. Mit ihr bekam er im fortgeschrittenen Alter noch vier Kinder, eine Tochter und drei Söhne.

Zu seinem 150. Geburtstag sind auf diesem Bild vom 6. Oktober 2024 gleich drei Generationen Jobst zu sehen: die beiden Töchter seines Sohnes Heinz, die Enkelinnen Beate Jobst (ganz links) und Sabine Deuker geborene Jobst (ganz rechts), sowie deren Tochter, die Urenkelin Marina mit der Ururenkelin Nora auf dem Schoß. Enkel Steffen Jobst, ebenfalls beim Geburtstagstreffen in Bad Nauheim dabei, stammt aus der Linie seines jüngsten Sohnes Wolfgang. Insgesamt können sich 4 Kinder, 9 Enkel, 8 Urenkel sowie 2 Ururenkel zu seinen Nachfahren zählen.

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Tierisch erotisch: Der Keramikhof im Badehaus

Es ist das letzte Badehaus im Rund der Arkaden: die Nummer 7 im Sprudelhof der historischen Badeanlage von Bad Nauheim. In der luxuriös ausgestatteten Wartehalle empfängt einen noch die Formenstrenge des Art Deco, doch gleich dahinter beginnt ein lustvolles Spielen und Treiben. Denn im Keramikhof von Heinrich Jobst springen Frösche über Bänke, tummeln sich Fische, kriechen Seeschlangen, und ein Brunnen mit nackten Nixen in anregenden Posen steigert das bukolische Lebensgefühl dieses ganz besonderen Badeorts. Für den Bildhauer der Künstlerkolonie Darmstadt war dieses 1907 sein erstes großes Projekt für Großherzog Ernst Ludwig, der ihn als Nachfolger von Ludwig Habich kurz zuvor an die Mathildenhöhe berufen hatte. Er war jung, 32 Jahre alt und sprühte vor Fantasie und Einfallsreichtum.

Sehr inspirierend hat auf ihn wohl eine Italienreise gewirkt, auf die ihn der Großherzog gleich zu Beginn schickte. Zusammen mit dem leitenden Architekten der Bad Nauheimer Anlage, Wilhelm Jost, und seinem Darmstädter Kollegen, dem Keramiker Jakob Julius Scharvogel, reiste er in den Süden. Ihr Auftrag: Anregungen für die Gestaltung und Ausschmückung der im Bau befindlichen Badeanlagen zu gewinnen. Der ganz in Terrakotta gestaltete Innenhof ist das sichtbare Ergebnis dieser italienischen Eindrücke.

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Eine richtig runde Sache zum runden Geburtstag!

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Let’s Celebrate! Jubiläum: 150 Jahre Heinrich Jobst

Am Hochzeitsturm: feinste Bildhauerarbeit von Heinrich Jobst (1874 – 1943).

Der Bildhauer und Medailleur Heinrich Jobst feiert heute seinen 150. Geburtstag. Am 6. Oktober 1874 wurde er als Sohn eines Steinmetzes in einem Dorf in Nordbayern geboren. 1906 wurde er als Nachfolger von Ludwig Habich nach Darmstadt an die Künstlerkolonie berufen. Er hat sowohl für die 3. Ausstellung auf der Mathildenhöhe von 1908 als auch für die letzte von 1914 bedeutende Beiträge geleistet. Sein bekanntestes und sichtbarstes Werk ist das großformatige Relief über dem Eingang des Hochzeitsturms, dem Wahrzeichen der Stadt Darmstadt. Im Rosenhof, der sich früher in der Mitte der einst dreiflügeligen Anlage des Ausstellungsgebäudes befand, stand einst sein großer Löwe aus Bronze, so prächtig und mächtig wie die bekanntesten Raubtiere von Jobst: die zwei Löwen vor dem Landesmuseum in Darmstadt. Der „Schreitende Löwe“ aus dem Rosenhof ist später umgezogen und heute in Bad Nauheim zu bewundern. Denn bei der Gestaltung der Jugendstilanlage und deren berühmten „Sprudelhof“ hat Jobst ganz besondere Akzente gesetzt. Es gibt keinen besseren Ort in Deutschland, um einen Einblick in die ganze Vielseitigkeit dieses Ausnahmekünstlers zu erhalten.

Freuen Sie sich auf ein „Bad Nauheim“-Spezial von 23 Quer!

Morgen geht*s los!

Welterbefest: Ganz großes und ein ganz kleines Kino

Es war ganz großes Kino, was die Stadt Darmstadt mit dem Welterbefest Mathildenhöhe auf die Beine gestellt hat. Richtig begeistert war 23 Quer aber auch von einem ganz kleinen vor dem Eingang zum Hochzeitsturm: dem „Hoetger Kino“. Ein weißer Pavillon von drei mal drei Metern, darin ein paar Stühle und ein Bildschirm. Zu sehen gab es eine Filmpremiere der besonderen Art: die „Hoetger Geheimnisse erzählt von Dr. Tino Wehner“. Ein kleines Filmjuwel, produziert vom Förderkreis Hochzeitsturm, das mit vielen Geschichten und Details zur Entstehung der Skulpturen im Platanenhain zu überraschen weiß.

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„Bonze des Humors“ – eine Lichtgestalt von Hoetger

Man muss unwillkürlich lachen, wenn man diesen dicken Bauch und den rundlichen Kerl dazu sieht: der „Bonze des Humors“ von Bernhard Hoetger. Bonze, damit bezeichnete man im asiatischen Raum früher einen buddhistischen Mönch oder Priester. Und dieser hier hat offensichtlich Humor, wie der Titel festhält, aber auch die Figur so überzeugend zeigt. Die pure Lebensfreude strahlt sie aus mit ihrem ansteckenden Lachen. Man möchte sich schon fast selbst den Bauch halten.

Zum Kugeln: Da lacht der Mönch und hält sich den Bauch (Bernhard Hoetger, 1914).

Anzuschauen ist die so heitere Arbeit in Worpswede in Niedersachsen, in einem Park mit lichten Bäumen mitten im berühmten Künstlerdorf. Der lachende Mönch ist Teil einer größeren Figurengruppe mit denen der Bildhauer Bernhard Hoetger die Licht- und Schattenseiten menschlicher Eigenschaften thematisierte. Der „Bonze des Humors“ gehört wohl selbstredend zu den Lichtseiten menschlicher Natur. Doch auch in Darmstadt können wir Hoetgers lachenden Mönch heute noch entdecken.

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Bernhard Hoetger und sein „Darmstädter Torso“

Der Bildhauer und Architekt Bernhard Hoetger wurde vor genau 150 Jahren, am 4. Mai 1874, in Dortmunder Stadtteil Hörde geboren. Wie kaum ein anderer seiner Disziplin begleitete er während seiner künstlerischen Entwicklung den Aufbruch in die Moderne: Er wurde ihr Zeuge und prägte sie selbst maßgeblich. Zeit seines Lebens experimentierte er mit den Stilen und ließ sich von vielen unterschiedlichen Kulturen inspirieren. So auch in Darmstadt, wo er für die letzte Ausstellung der Künstlerkolonie von 1914 auf der Mathildenhöhe wirkte. Dort bilden der von ihm mit über 40 Skulpturen, steinernen Pflanztrögen und Reliefwänden gestaltete Platanenhain sowie eine Reihe weiterer Kunstwerke im Außenraum zentrale Elemente des Darmstädter UNESCO Weltkulturerbes.

Mit dieser zarten Dame aus Bronze fingen die so überaus fruchtbaren Beziehungen des Bildhauers nach Darmstadt überhaupt erst an. Bernhard Hoetger fertigte sie 1909 und gab ihr ursprünglich den Titel „Jugend“. Sie war ein Auftragswerk für Großherzog Ernst Ludwig, bestellt von seinem Kabinettschef Gustav von Römheld.

Nur wenige Jahre später, 1911, wurde Hoetger vom Großherzog an die Künstlerkolonie Darmstadt berufen. Seitdem ist die Skulptur, nicht nur in Südhessen, bekannt unter ihrem zweiten Namen: der „Darmstädter Torso“.

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An der frischen Luft: die Platanenhain-Skulpturen

„Same procedure as every year“: Wie jedes Jahr galt es auch in diesem Frühjahr wieder, die Skulpturen im Platanenhain von ihrem Winterschutz zu befreien. Denn in der kalten Jahreszeit ist von 21 Figuren des Bildhauers Bernhard Hoetger nicht viel zu sehen. Die 7 Krugträgerinnen (ohne die 3 der Brunnengruppe) und die 10 Löwenvasen der Nord- und Südseite sowie die 4 Schakalsvasen neben dem Denkmal der „Sterbenden Mutter mit Kind“ werden in der Wintersaison allesamt von einem Holzhäuschen ummantelt und vor der Witterung geschützt. Um Ostern herum ist es jedes Jahr wieder soweit, werden die Wintereinhausungen mit vereinten Kräften wieder abgebaut. Seit heute sind die wunderbaren Bildhauerarbeiten wieder befreit und können die frische Luft genießen.

An vorderster Stelle ist hier die Darmstädter Schreinerei Uhland zu nennen, die mittlerweile sehr routiniert die über 110 einzelnen Bauteile abmontiert und zur Firma Schenck abtransportiert, wo diese kostenlos eingelagert werden können. Der Transport der schweren Holzplatten wird mit luftbereiften Handkarren durchgeführt, um den Boden des Platanenhains zu schonen. Die Transportfahrzeuge selbst stehen außerhalb des Platanenhains.

Seit vielen Jahren sehr engagiert mit dabei sind auch die beiden Fördervereine der Mathildenhöhe: Der Förderkreis Hochzeitsturm e.V. trägt 2024 wieder die Kosten für den Abbau der Einhausungen in Höhe von 2.300 Euro. Insgesamt hat der Förderkreis damit in 18 Jahren bisher über 40.000 Euro zum Schutz der Hoetger-Skulpturen aufgewendet. Auch die Mitglieder des Vereins Freunde der Mathildenhöhe e.V. haben die Firma Uhland in diesem Jahr wieder beim Abbau unterstützt, der 23. Einsatz seit 2012.

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„Mutter mit Kind“ alias Paula Modersohn-Becker

Das Grab von Paula Modersohn-Becker in Worpswede.

Die Malerin Paula Modersohn-Becker starb am 20. November 1907 im Alter von nur 31 Jahren, kurz nach der Geburt ihres ersten Kindes. Ihr Grab auf dem Friedhof von Worpswede wurde von Bernhard Hoetger gestaltet, ihrem guten Freund und Ratgeber seit gemeinsamen Pariser Zeiten. Ihr Grabmal inspirierte den Bildhauer unverkennbar bei der Gestaltung des zentralen Denkmals auf dem Platanenhain: die „Sterbende Mutter mit Kind“. Das Darmstädter Kunstwerk entstand erst einige Jahre später, zur Ausstellung der Künstlerkolonie auf der Mathildenhöhe von 1914.

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Emy, Ella und Ester – die Frauen der Mathildenhöhe

Ein richtiger „Männerclub“ war sie, die Künstlerkolonie Mathildenhöhe. 23 Künstler zählt man von ihrer Gründung in 1899 bis zu ihrer letzten Ausstellung in 1914 – und alle waren sie männlichen Geschlechts. So überhaupt nicht emanzipatorisch war der Aufbruch in die Moderne in Darmstadt, möchte man meinen. Doch dieses Bild einer Männerdomäne stimmt nicht so ganz. Wie die bahnbrechenden Ausstellungen zu den „Sturm-Frauen“ (2015/16) und den „Fantastischen Frauen“ der Surrealisten (2020) in der Frankfurter Schirn, entdeckt man auch in Darmstadt die „Frauen der Mathildenhöhe“. Die Kunsthistorikerin Renate Charlotte Hoffmann hat sich mit diesem bisher relativ unbeachteten Aspekt der Künstlerkolonie auseinandergesetzt und eine Fülle an Material und Namen zusammengetragen – und siehe da: Der weibliche Beitrag ist erstaunlich.

Sie waren Modelle, Schülerinnen, Assistentinnen, manche sogar als Mitarbeiterin angestellt, aber den Ruhm, Teil einer künstlerischen Avantgarde gewesen zu sein, den heimsten dann in aller Regel die männlichen Künstler ein. Die Frauen der Mathildenhöhe gerieten in Vergessenheit. Besonders interessant sind dabei die Frauenfiguren, die maßgeblich an dem Erscheinungsbild des UNESCO-prämierten Ensembles und seiner Raum- wie Gebrauchskunst mitgestaltet haben, an Objekten, die eigentlich bekannt sind als das Werk eines der bekannten Mathildenhöhenkünstler. Hinter Bernhard Hoetger, Emanuel J. Margold und selbst hinter Joseph M. Olbrich standen jedoch auch starke und beeindruckende Frauen, die ihre künstlerische Handschrift auf der Mathildenhöhe hinterlassen haben.

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Die wehrhafte Kunst: Mit Pallas Athene zum Sieg

Siegreiche Kunst: Der Lorbeerkranz ist sicher (Foto: Fabian Fröhlich).

Sie hat es wahrlich nicht einfach, die Kunst: Sie muss oft kämpfen um Aufmerksamkeit, ringen um Anerkennung und Budgets. Aber am Ende wird sie dann doch gewinnen, wird man ihr den Lorbeerkranz der Siegerin überstreifen. So auch in Darmstadt. Hoch oben am mit Gold reich geschmückten Portal des Ernst Ludwig-Hauses stehen zwei Siegesgenien und flankieren den Eingang. Gerüstet mit einem Waffenrock begrüßen sie den zum Kampf bereiten Künstler, der unter ihnen zur Arbeit, zum „heiligen Gottesdienst“, ins Ateliergebäude schreitet und die stärkende Botschaft über ihm wohl vernimmt: „Der Sieg, er ist dir sicher!“

Die beiden Figuren sind von Rudolf Bosselt, angefertigt zur 1. Ausstellung der Darmstädter Künstlerkolonie 1901. Mit der wehrhaften Kunst nimmt der Bildhauer ein Motiv auf, das bei der künstlerischen Avantgarde um die Jahrhundertwende sehr in Mode kam. Das führt eindrucksvoll eine große Kunstausstellung vor Augen, die zur Zeit in Berlin die Massen in die Alte Nationalgalerie auf die Museumsinsel lockt: „Secessionen – Klimt, Stuck, Liebermann“ ist ihr Titel. In den Secessionen, was wortwörtlich Abspaltungen bedeutet, fanden sich damals diejenigen Künstler zusammen, die die Kunst und ihre Strukturen im ausgehenden 19. Jahrhundert erneuern und radikal modernisieren wollten. Da war Kampf geradezu vorprogrammiert.

Kein Wunder, dass sich die Secessionisten die griechische Göttin Pallas Athene zur Leitfigur auserkoren hatten. In der Berliner Ausstellung wimmelt es geradezu von Darstellungen der kämpferischen Dame. Die meisten finden sich bei den Abspaltern aus München und Wien.

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Hoetgers Raubtiergehege auf dem Platanenhain

Tierische Wächter: Die Löwen auf dem Platanenhain.

„Die Löwen sind los!“ Das ist das Leitmotiv einer ganzen Reihe aus mittlerweile sechs Artikeln auf 23 Quer, die sich auf Safari über die Mathildenhöhe begeben, immer auf der Jagd nach den Tieren mit der wilden Mähne. Einen regelrechten Raubtier-Zoo beherbergt der Platanenhain, den wir heute durchpirschen – und ausgesprochen reiche Beute machen: Denn der Bildhauer Bernhard Hoetger, der für die Ausstellung von 1914 den Platanenhain mit einem ganzen Skulpturenpark ausstattete, hat Löwen an vielen Stellen seines Monumentalkunstwerks eingesetzt. Wenn man alle seine Arbeiten zusammenzählt, kommt man auf insgesamt 49 Löwendarstellungen, dazu noch die zwei Raubkatzen über dem Eingang. Es faucht und brüllt an allen Ecken!

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Die „niesenden Igel“ der Rosenhöhe: Löwenhochsitz

Na, erkennen Sie in dem historischen Bild, der Schwarz-Weiß-Aufnahme unten, die tierischen Gestalten auf den Säulen oben wieder? Ja, genau, das sind die sechs Löwen, die heute von den Backsteinsäulen am Eingang zur Rosenhöhe hinunterbrüllen. Die „niesenden Igel“, so ihr Spitzname, thronten mit ihrer stacheligen Mähne 1914 über dem Eingang zur letzten Ausstellung der Künstlerkolonie Mathildenhöhe. Sie waren Teil eines monumentalen Eingangsportals zum Ausstellungsgelände, das der leitende Architekt Albin Müller damals am Nicolaiweg vor dem südlichen Eingang zum Platanenhain und vor dem Lilienbecken mit seiner dahinter liegenden Russischen Kapelle positionierte und mit Kassenschaltern versah. Bei seinem Entwurf arbeitete er mit dem Bildhauer Bernhard Hoetger zusammen, Mitglied der Darmstädter Künstlerkolonie wie er, der zeitgleich den Platanenhain mit rund 70 Plastiken ausschmückte.

Doch mit Bernhard Hoetgers Arbeit war Albin Müller dann gar nicht zufrieden, wie seinen Ende der Dreißiger Jahre verfassten Lebenserinnerungen deutlich zu entnehmen ist:

<< Ich hatte für die hochstehenden sechs Löwen je zwei wuchtige Doppelsäulen aus mächtigen Kunststeintrommeln aufgebaut. Als endlich in letzter Stunde die Löwen geliefert wurden, zeigte es sich, daß sich Hötger hierbei weder an meine Angaben, noch an die festgesetzten Maße gehalten hatte. Die massiven, mächtigen Löwenplastiken waren deshalb für meine Säulen viel zu schwer und stören das reine Maßverhältnis meines Säulenunterbaus ganz empfindlich. Darum habe ich bei dem späteren Aufbau auf der Rosenhöhe die sechs Doppelsäulen verworfen und statt deren sechs Pfeiler aufgemauert, die zu den Maßen der Löwen nun im rechten Einklang stehen. >>

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Die Löwen der Mathildenhöhe: Gut gebrüllt, Stadtkrone!

Hier herrscht der Regent von Hessen-Darmstadt, hier ist großherzogliches Gelände. An vielen Stellen des einzigartigen Ensembles Mathildenhöhe wird dies sichtbar. Das beliebteste Motiv der Künstler dabei: ganz viele Wappen mit einem Löwen. Wie auch zu sehen an diesem Relief, das den Eingang des Hochzeitsturms außen krönt. Bildhauer Heinrich Jobst, Mitglied der Künstlerkolonie, liefert mit dieser Bildtafel aus Stein wichtige Informationen über das Geschenk, das die Stadt Darmstadt dem Paar errichtet hat: Zum Gedächtnis der Vermählung Ihrer Königlichen Hoheiten | des Großherzogs Ernst Ludwig und der Großherzogin Eleonore | errichtet von der Stadt Darmstadt anno 1907/1908. Zwischen der dreigeteilten Inschrift finden sich die herrschaftlichen Wappenschilder von Braut wie Bräutigam. Und da beide Hoheiten einen Löwen als Wappentier besitzen, tritt das Raubtier hier gleich doppelt auf.

Anno 1905 war die Vermählung, wie ebenfalls zu lesen, ganz oben zwischen den vier Allegorien. Mit Stärke und Weisheit, Gerechtigkeit und Milde soll der Herrscher walten über sein Großherzogtum. Wenn man genau hinguckt, dann sieht man in diesem Relief noch einen dritten Löwen, allerdings nicht in einem Wappen, sondern als eigenständige plastische Arbeit bei einer der vier Figuren. „Stärke“, wer könnte das besser symbolisieren als ein Löwe, der die erste allegorische Dame von links begleitet und dessen Schwanz man sehr gut zu ihren Füßen erkennen kann?

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Die Löwen sind los! Jobst und die „City of Lions“

Darmstadt hat seine Lilien – und Darmstadt hat seine Löwen. Davon wimmelt es im Stadtbild geradezu überall, auf Stadtwappen, über Eingängen, an Brunnen. Von Hunderten gar sprechen die, die sich auf die Löwenjagd am Woog begeben haben und sie zählten. Einer, der besonders gewaltige Exemplare hinterlassen hat, ist der Bildhauer Heinrich Jobst, Mitglied der Künstlerkolonie. Nicht so sehr oben auf der Mathildenhöhe, sondern eher unten in der City sehen wir sein Werk – genauer am Cityring. Dort, vor dem Hessischen Landesmuseum Darmstadt (HLMD), stehen seit 1912 zwei besonders prächtige Exemplare aus seinem Atelier, und lassen heute täglich den Berufsverkehr an sich vorbeiziehen.

Sie sind die Wahrzeichen des Landesmuseums: die zwei Bronze-Löwen mit den langen Mähnen und den beeindruckenden Muskeln, die den Eingang flankieren.
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Lebensechter Grabstein: Relief von Ludwig Habich

Der November ist traditionell der Monat, in dem 23 Quer gerne mal schaut, was die Mathildenhöhe und die Künstlerkolonie zum Thema Tod und Gräber, zu Särgen und Grabsteinen beizutragen haben. Insgesamt sechs Künstler aus der Riege der Ausstellungsmacher von 1901 bis 1914 fanden in Darmstadt und Umgebung ihre letzte Ruhe (Joseph Maria Olbrich, Ludwig Habich und Daniel Greiner sowie Albin Müller, Heinrich Jobst und Christian Heinrich Kleukens). Zu ihren Lebzeiten waren sie oft auch Gestalter von Ruhestätten zu Ehren anderer Toten. Wie etwa der Bildhauer Ludwig Habich, der auf dem Alten Friedhof von Darmstadt eben nicht nur selbst begraben ist (Grabstelle I D 121a), sondern sich dort auch künstlerisch verewigt hat. Von ihm stammt das Bronzerelief, das den Grabstein des Darmstädter Schriftstellers Gottfried Schwab ziert (Grabstelle IV Mauer 116) und ein sehr lebensechtes Portrait von ihm zeigt:

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