Von den 23 Künstlern der Künstlerkolonie Darmstadt haben sechs ihre letzte Ruhestätte in Darmstadt und der näheren Umgebung gefunden. Vor einem Jahr hat 23 Quer die Gräber der Gründergeneration und frühen Künstlerkolonisten der Ausstellungen von 1901 und 1904 besucht und ihrer besonders gedacht. Nach dem ersten Teil über Joseph Maria Olbrich, Ludwig Habich und Daniel Greiner aus dem November 2020 folgt nun der zweite: Er führt ebenfalls zu drei Gräbern bedeutender Künstler: Sie haben für die Ausstellungen von 1908 und 1914 Großes geleistet. Vor langer Zeit sind sie gestorben. Doch uns haben sie so viel Bleibendes von außergewöhnlichem Wert hinterlassen, dass es nun sogar schützenwert für die gesamte Menschheit, UNESCO Weltkulturerbe, ist.



Albin Müller: mit selbst entworfenem Grabmal tief im Waldfriedhof
Vor etwa einem Monat, am 2. Oktober, hatte Albin Müller seinen achtzigsten Todestag, den die Stadt Darmstadt mit einem Kranz an seinem Grab ehrte. Dem Chefarchitekten der späteren Künstlerkolonie und Leiter der Ausstellung von 1914 ist mit albinmüller3 gerade auch eine Sonderausstellung des Institut Mathildenhöhe Darmstadt gewidmet. Von seinem Ruf an die Künstlerkolonie 1906 bis zu seinem Tod 1941 im Alter von 69 Jahren hat Albin Müller in Darmstadt in seiner Villa direkt am Platanenhain gelebt. Er ist auf dem Darmstädter Waldfriedhof begraben. Bemerkenswert ist, dass er mit Anfang Vierzig seinen Grabstein selbst entworfen hat: Zwischen 1914 und 1916 hat er daran gearbeitet, ganze 27 Jahre vor seinem Tod und nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs, der der Darmstädter Künstlerkolonie ein plötzliches und unerwartetes Ende setzte. An seinem eigenen Grabmal finden sich mit Kreuz, Herz und Anker die drei Symbole wieder, die er 1914 auch für die goldene Uhr des Hochzeitsturms gestaltete: Glaube, Liebe, Hoffnung.





Das Grab von Albin Müller liegt tief im Waldfriedhof versteckt: Ganz am westlichen Rand des großen Runds hat er seine ewige Ruhe gefunden (L 9c: 178). In den letzten Jahren seines Lebens hat er sich sehr mit Malerei und Naturlandschaften beschäftigt. Vielleicht ist dieses Grab so weit entfernt von den Menschen ein Ausdruck einer gewissen Zivilisationsmüdigkeit. Besonders auffällig ist auch die Positionierung der Grabstätte zum Hauptweg. Das Grabmal Albin Müllers wendet sich mit dem Rücken zum vorbeilaufenden Besucher. Die Schauseite ist nach Osten gerichtet: Richtung Mathildenhöhe.
Heinrich Jobst: auf dem Alten Friedhof wie viele Köpfe der Künstlerkolonie
Heinrich Jobst kam 1907, noch unter der Leitung Joseph Maria Olbrichs, als Bildhauer und Medailleur zur Künstlerkolonie. Er ist, wie auch Albin Müller, bis zu seinem Lebensende in Darmstadt geblieben und am 10. Februar 1943 im Alter von 68 Jahren im Elisabethenstift an Herzversagen gestorben. Er hinterließ ein umfangreiches bildhauerisches Werk – nicht nur auf der Mathildenhöhe, wo er etwa das große Reliefbild über dem Eingang zum Hochzeitsturm schuf. Grandios bis heute ist sein Beitrag zum Sprudelhof in Bad Nauheim, der einmaligen großherzoglichen Jugendstil-Kuranlage: von den prächtigen Sprudelbrunnen bis zu komplett bildhauerisch gestalteten Innenhöfen einzelner Badehäuser. Und wer kennt die beiden riesigen Löwen aus Bronze vor dem Hessischen Landesmuseum in Darmstadt nicht? Alles von Jobst, wie so vieles.





Den bezaubernden Grabstein für Olbrich auf dem Alten Friedhof (IV C 11) hat Jobst 1908 ebenfalls gestaltet. Sein eigener von 1943 ist dagegen eher schlicht gehalten. Außer dem Schriftzug deutet nichts darauf hin, dass hier ein überragender Künstler seines Fachs begraben liegt (II O 172b). Da geht es ihm ähnlich wie seinem Vorgänger in der Künstlerkolonie, dem Bildhauer Ludwig Habich, dessen Grabstein nur wenige Meter entfernt (I D 121a) auch nicht durch besondere künstlerische Bearbeitung auffällt.
Christian H. Kleukens: in Mühltal/Nieder-Ramstadt mit grafisch klarer Linie
Christian H. Kleukens gehörte zu den letzten Mitgliedern der Künstlerkolonie Darmstadt. Er wurde erst 1914 als Nachfolger seines älteren Bruders und langjährigen Leiters der Ernst Ludwig-Presse in den illustren Kreis aufgenommen, auch wenn er dort schon viele Jahre die Drucktechnik verantwortet hatte. Zuhause war er in der heutigen Gemeinde Mühltal, wo er als einer der Mitbegründer der Trautheimer Gartenstadt gilt. Für die Leitung der Gutenberg-Presse und eine Professur zog es ihn 1927 nach Mainz, von wo er nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wieder zurückkehrte. Er starb am 7. April 1954 und wurde auf dem Friedhof in Mühltal/Nieder-Ramstadt begraben. Sein schwarzer und polierter Grabstein formt mit scharfer Kante ein breites Rechteck. Die Lettern der elegant-modernen Schrift zeugen von der Profession des Verstorbenen, dessen Leben der Typografie und der Kunst des Druckens gewidmet war.



Kleukens war unter anderem 1926 Büchner-Preisträger für seine Verdienste um den Buchdruck und Gestalter von Schrifttypen sowie Träger der Gutenberg-Medaille, die er anlässlich der 500-Jahr-Feier für den berühmtesten Sohn der Stadt 1940 in Mainz verliehen bekam. Dort machte er unter den Nationalsozialisten und in der Partei Karriere, war deutlich mehr als ein Mitläufer, was erst in jüngster Zeit bekannt wurde. Im Rahmen einer Überprüfung der Straßennamen beschloss das Stadtparlament 2019, Christian H. Kleukens – wie sieben weitere Personen – in Darmstadt nicht mehr öffentlich zu ehren.
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