Im Zeichen der Rose: Im Dunkel der Nacht auf den Hochzeitsturm von Darmstadt

Nachtfuehrung 14 Feb 2020 Der Kuss mit RoseNicht oft hat man Gelegenheit, die Prachträume des Hochzeitsturms in Darmstadt von Innen zu sehen. Schließlich heiratet man auch nicht alle Tage, denn nur Hochzeitspaare und deren Gäste kommen ansonsten in den Genuss, die heiligen Hallen zu betreten und sich im Zimmer der Großherzogin unter einer mächtigen Decke in Gold trauen zu lassen. Wer zu den normalen Öffnungzeiten auf die Aussichtsplattform steigt oder fährt, der kann zwar durch eine Glastür einen Blick hineinwerfen, aber eben nicht hineingehen. Es sei denn, man kommt zu einer der Sonderführungen des Förderkreises Hochzeitsturm. Etwas ganz Spezielles und erst seit Kurzem im Programm sind die Nachtführungen. Dann schimmert alles im Schein der vielen Lichter, liegt über der prunkvollen Innenausstattung ein besonderer Glanz.Das gab es jetzt zum dritten Mal. Nach einer Nachtführung im Sommer und einer zum Start in den Advent im Winter 2019, war der Valentinstag am 14. Februar 2020 für den Verein der passende Anlass, die Pforten am Abend wieder zu öffnen. Der Tag der Liebe im Turm der Liebe, wo ließe er sich besser zelebrieren, denn hier. Unter den sich küssenden und beflügelten Liebenden des an Romantik kaum zu überbietenden Eingangsmosaiks kann er gar nicht besser starten, und mit einer roten Rose, den der Förderkreis allen weiblichen Besuchern als Willkommensgruß überreichte, war der Empfang perfekt.

23 Quer hat ganz oben angefangen, auf der Aussichtsplattform: mit dem Aufzug hoch in den siebten Stock, um den einmaligen Blick auf die Stadt und über die ganze Rhein-Main-Ebene bei Nacht zu genießen. Weit schweift der Blick, der Flughafen Frankfurt leuchtet in der Ferne hell, daneben schimmern die Lichter der Großstadt leicht rötlich. Höher geht’s nicht mehr in Darmstadt, heute abend garniert mit ein paar Extras: in der einen Hand die Rose, in der anderen ein Gläschen Turmsekt – eingeschenkt von Christine Aue, der zweiten Vorsitzenden des Vereins. Das hier ist ein ganz besonderer Ort an diesem Valentinstag, nicht nur für Verliebte und Paare. Und es ist wahrlich nicht immer die Frau, die zum Ausflug in diese Höhen getrieben hat. Auch unter manchem Männerherzen steckt heute Abend eine romantische Seele…

Dann gibt es Paare, die schon lange verheiratet sind, sich aber mit diesem Ausflug gerne auch an ihre eigene Hochzeit zurück erinnern, und auch mal einen gemeinsamen Schluck aus dem zeremoniellen Brautbecher wagen. Was es mit dem auf sich hat, das erfährt man einige Stockwerke tiefer.

Im Zimmer der Großherzogin

Nachtfuehrung 14 Feb 2020 Trauzimmer Decke

Jetzt sind wir im fünften Stock, dem heutigen „Hochzeitszimmer“. Unter der schweren, in Messinggold schimmernden Decke, mit Blick auf einen umlaufenden Fries voller Allegorien und auf das großherzogliche Paar, das im mittelalterlichen Gewand dargestellt ist, wird hier tagsüber der Bund der Ehe feierlich geschlossen. Neo-Rennaissance heißt dieser auffallende Stil, und der war zur Jahrhundertwende sehr angesagt. Großherzog Ernst Ludwig hat sogar unter diesem Motto einmal ein großes Fest am Hof in Darmstadt gefeiert, in dem die Herren in Strumpfhosen gewandet erschienen. Diese schwere, mythengeschwängerte Dekoration des Prachtsaales entspricht also ganz dem Zeitgeist jener Tage.

Auf eine noch viel weiter zurückliegende Hochzeitstradition hat sich der Förderkreis besonnen: auf den des Brautbechers. Wie Uta Müller-Merbach fachkundig erläutert, hat dieser Brauch seinen Ursprung nicht in Darmstadt, sondern in Nürnberg.

Er stellt so eine Art erste Prüfung für das Brautpaar dar. Denn aus diesem kombinierten Gefäß mit zwei Bechern sollen Braut wie Bräutigam gleichzeitig trinken. Das ist möglich, weil beide Becher miteinander beweglich verbunden sind. Der größere Becher ist meist als kunstvoll verzierter Rock ausgebildet, den kleineren trägt die Figur über dem Kopf. Der kann in seiner Halterung geschwenkt werden, und mit ein wenig Geschick und gleicher Augenhöhe ist diese erste gemeinsame Aufgabe für das frisch gebackene Brautpaar erfolgreich zu bewältigen. Der Förderkreis hat eine große Sammlung solcher Brautbecher zusammengetragen und ausgestellt, und bietet heute Repliken für die eigene Zeremonie an.

Im Zimmer des Großherzogs

Nachtfuehrung 14 Feb 2020 Fuerstenzimmer Einhorn

Schon sind wir ein Stockwerk tiefer, im so genannten „Fürstenzimmer“. Doch Zimmer kann man das nun wirklich nicht mehr nennen, was sich im 4. Stockwerk vor den Augen des Betrachters öffnet: 6,70 Meter hoch ist das Tonnengewölbe in leuchtendem Blau, das sich über dem schmalen Rechteck des Raums erhebt. 1908 wurde die in Putz eingelassene Malerei von Fritz Hegenbart entworfen, auch hier findet sich wieder viel Symbolik. Zwei Fabelwesen sprangen einst die beiden Stirnseiten entlang, die beide im Krieg zerstört wurden. Dank der Spende eines Kölner Rechtsanwalts konnte eines der Gemälde restauriert werden: ein Einhorn, auf dem eine junge Frau sitzt. Das Fabeltier springt über eine Schnecke der neuen Zeit entgegen und schüttet seine Füllhörner dabei aus. Auf dem fehlenden Gegenstück war ein Hirsch mit einem Jüngling zu sehen. Davon weiß Günter Körner für den Förderkreis zu berichten.

Wem dieser gewaltige Raum gewidmet ist, ist unschwer am Scheitelpunkt des Bogens zu erkennen. Dort zieren die Initialien EL für den Großherzog Ernst Ludwig eingearbeitet in eine stilisierte Krone den Raum und geben Auskunft darüber, wer der Mittelpunkt ist, um den sich hier alles dreht.

In der Eingangshalle: Die Rosen der Kunst gehen niemals aus

Noch ein paar Treppenstufen und drei Stockwerke tiefer, und wir sind wieder da, wo der interessante Ausflug durch den Hochzeitsturm startete: in der Eingangshalle unten. Dort hält Dr. Thomas Mayer, der erste Vorsitzende des Förderkreises, den ganzen Abend Stellung, kassiert die Eintrittsgelder und verteilt unermüdlich rote Rosen an die Damenwelt, bis irgendwann alle vergeben sind. 60 waren es am Anfang, ein ganzer Eimer voll. Gereicht haben sie bei Weitem nicht, so groß war die Nachfrage – und das spricht doch sehr dafür, dass diese Nachtführung im Hochzeitsturm nicht die letzte gewesen sein dürfte.

Mit einem Abschiedsgruß der Glücksgöttin im goldenen Halbrund, deren beiden Füllhörner links und rechts – sehr passend zum Termin – voll mit roten Rosen sind, geht es hinaus in die Dunkelheit und vom inspirierenden Musenhügel wieder hinab in die Stadt, die einem eben noch zu Füßen lag.

Nachtfuehrung 14 Feb 2020 Gluecksgoettin mit Rosen

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Der Hochzeitsturm ist ein Geschenk der Stadt Darmstadt an Großherzog Ernst Ludwig anlässlich seiner Vermählung mit Eleonore zu Solms-Hohensolms-Lich in 1905. Der markante Entwurf stammt von dem Architekten Joseph Maria Olbrich. Fertig gestellt wurde das 48,5 Meter hohe Gebäude 1908 zur hessischen Landesausstellung für freie und angewandte Kunst auf der Mathildenhöhe. Heute ist der Hochzeitsturm das Wahrzeichen Darmstadts, die Stadtkrone. Seit 1992 kann man sich im Hochzeitszimmer in außergewöhnlichem Rahmen und Höhe standesamtlich trauen lassen.


Seit über dreißig Jahren kümmert sich der Förderkreis Hochzeitsturm um den Erhalt, die Pflege und den Ausbau des Gebäudes. Durch sein unablässiges Engagement kann das Denkmal heute wieder in altem Glanz erstrahlen. Zur Finanzierung der zum Teil kostspieligen baulichen Maßnahmen, wie etwa der Einbau des Aufzuges, tragen private Spenden, die Eintrittsgelder sowie andere Aktionen des Vereins bei. Auch die Einnahmen des Shops mit den geschmackvollen Souvenirs kommen dem Erhalt des Hochzeitsturms zu Gute.

Öffnungszeiten Hochzeitsturm

März – Oktober: Täglich 10 – 18 Uhr

November bis Februar: Freitag – Sonntag 11 – 17 Uhr

Telefon während der Öffnungszeiten: 06151 | 701 90 87

Olbrichweg 1, 64287 Darmstadt

http://www.hochzeitsturm-darmstadt.eu

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