Der November ist auch für die Geschichte des Hochzeitsturms ein Monat von Bedeutung: Es war an einem 21. des Monats, als sich Großherzog Ernst Ludwig 1904 mit Prinzessin Eleonore zu Solms-Hohensolms-Lich, seiner zukünftigen Gattin, verlobte. Das ist heute genau 118 Jahre her. Und es war an einem 27. November als sich der Förderkreis Hochzeitsturm 1982 als eingetragener Verein offiziell gründete. Fast auf den Tag genau ist das jetzt vierzig Jahre her. Ohne das erste Datum gäbe es dieses wahrlich große Hochzeitsgeschenk wohl kaum, das die Stadt ihrem Landesherrn zur späteren Vermählung schenkte und das sein Lieblingsarchitekt Joseph Maria Olbrich für ihn entwarf. Und ohne das zweite Datum könnte Darmstadt nicht mit einem bestens erhaltenen Wahrzeichen glänzen, das 1908 eröffnet heute kunsthistorisch so wertvoll ist, dass es 2021 als schützenswert für die gesamte Menschheit erklärt wurde.
„Der Hochzeitsturm war einer der gewichtigsten Bausteine in der Bewerbung um das UNESCO Weltkulturerbe“, betonte auch Oberbürgermeister Jochen Partsch, der als oberster Gratulant die Glückwünsche der Stadt zum Jubiläum persönlich an den Förderkreis Hochzeitsturm überbrachte. Hoch oben auf der Aussichtsplattform des Turms hatte sich am 19. November eine Schar geladender Gäste aus Politik und Kultur, Vereinen und Freunden zu einer Feierstunde eingefunden. Partsch erinnerte an die Zeit und die Menschen, die mit Weitblick schon damals das Potential dieses hoch aufragenden Denkmals erkannt hatten. Allen voran Sissy Geiger, die sehr engagierte Kulturpolitikerin der CDU, die kurzerhand mit Parteikollegen einen Verein gründete, nachdem man sich im Stadtparlament mit einem Antrag vorher nicht durchsetzen konnte. „Die Erhaltung und Wiederbelebung des Darmstädter Wahrzeichens und Europäischen Denkmals sicherzustellen“, das war das erklärte Ziel der Gründer.
Vom Förderkreis „wachgeküsst“, gemeinsam mit der Stadt grundsaniert
Die Schäden, die die Bomben der Brandnacht 1944 am Hochzeitsturm angerichtet hatten, waren zwar in den fünfziger Jahren notdürftig repariert worden, auch das komplett zerstörte Fünf-Finger-Kupferdach war wieder gedeckt, die mechanische Turmuhr restauriert und montiert, so dass das Gebäude in seiner Substanz nicht verfiel. Doch ansonsten lag alles im tiefen „Dornröschenschlaf“, aus dem es der Förderkreis in den Achtziger Jahren erwecken sollte. Es wurde auch höchste Zeit: Denn nach einem Rohrbruch in den Siebziger Jahren lösten sich im heutigen „Hochzeitszimmer“ schon langsam Teile des Stucks von der Decke. Zur Jubiläumsfeier mit Laudator Partsch (li.) hatten Alfred Helfmann (mi.) und der amtierende Vereinsvorsitzende Armin Riegel (re.) nicht nur viel Sekt, sondern auch einige Schwarz-Weiß-Aufnahmen mitgebracht von der Ausgangssituation, die man damals im Innern des Hochzeitsturms vorfand.
„Unglaublich lang ist das alles her“, erinnert sich Helfmann an die Anfänge und die prägenden Figuren des Vereins, an die ersten Vorsitzenden, an Herbert Reißer und Helmut Schlicker, „dann kam ich“. Der Architekt, der bis 2018 den Verein leitete, nahm gemeinsam mit Bauoberrätin Christiane Geelhaar vom Hochbau- und Maschinenamt der Stadt Darmstadt die großen Umbau- und Sanierungsprojekte am Denkmal in Angriff. Unter ihrer Regie bekam der Turm etwa seine weißen Sprossenfenster, neue Installationen, eine Heizung und Sanitärräume.
Wichtigstes Anliegen des Förderkreises war seit Gründung, den Hochzeitsturm wieder für die Öffentlichkeit zugänglich zu machen, über alle sieben Etagen, bis hinauf zur Aussichtsplattform mit den fünf kleinen Balkonen vor dem Fenster und dem grandiosen Panoramablick rundum. Dazu war zwingend der Einbau eines Aufzugs notwendig. Wer heute bequem die gut 45 Meter lange Strecke ins oberste Stockwerk gehoben wird, spürt die Anstrengungen nicht mehr, die notwendig waren, um einen Aufzugsschacht unter extrem schwierigen statischen und denkmalpflegerischen Bedingungen in den Turm zu ziehen. Von 1984 bis 1986 wurde dieser massive bauliche und kostspielige Eingriff in die Bausubstanz durchgeführt, als erste bedeutende Maßnahme des Vereins. In den folgenden Jahren sollten noch einige hinzukommen, bei denen der Förderkreis großen personellen wie finanziellen Einsatz zeigte.
Alles neu: von der goldenen Stuckdecke bis zur Toilette in luftiger Höhe
Dringend war auch die Sanierung des maroden und feuchten „Hochzeitszimmers“, die von 1989 – 1990 durchgeführt wurde. Mit seiner in Messinggold glänzenden Stuckdecke und dem umlaufenden Malerfries erhielt die feuchte Dunkelkammer wieder den repräsentativen Charakter, den sie einst als „Zimmer der Großherzogin“ besaß. Der passende Rahmen für feierliche und ganz besondere Hochzeitszeremonien, die das Standesamt Darmstadt seit 1993 anbietet, und damit seinem Namen alle Ehre macht. 1993 begann auch die Renovierung des Eingangs außen mit seiner Fassung aus bezaubernden Blütenmosaiken und dem Gittertor mit dem mehrfarbigen Wappen der Stadt.
Für die Sanierung der Eingangshalle waren wieder umfangreiche bauliche Arbeiten notwendig: die Unterkonstruktion der Tonnendecke wurde repariert, das Gewölbe zusammen mit dem umlaufenden Fries unten neu vergoldet. Auch die berühmten Wandmosaiken von Friedrich W. Kleukens wurden vom Schmutz befreit und gereinigt. 1999 übernahm der Förderkreis die Kosten und die Bauleitung für die Restaurierung der goldenen Turmuhr von Albin Müller, einschließlich der Neuvergoldung des Ziffernblatts. In luftiger Höhe direkt unter der Aussichtsplattform gibt es mittlerweile sogar eine schicke Toilette für die vielen Besucher, Brautpaare und Gäste von nah und fern. Bis heute unterstützt der Förderkreis auch finanziell Maßnahmen im Platanenhain, wie etwa zusammen mit dem Verein „Freunde der Mathildenhöhe“ die jährliche Aus- und Einhausung der Hoetger-Skulpturen. Auch an der weiteren Restaurierung der Außenanlagen des Hochzeitsturms ist er beteiligt.
40 Jahre Einsatz für den Hochzeitsturm, die ihre Wirkung zeigen: „Zusammen mit der Stadt Darmstadt und über Spenden und Einnahmen aus zahlreichen Aktivitäten konnten seitdem viele Maßnahmen finanziert werden, die den Turm wieder zu einer besonderen Attraktivität werden ließen“, heißt es auf der Webseite des Förderkreises. Rund 40.000 bis 50.000 Besucher zählt der Aussichtsturm mittlerweile in einem (coronafreien) Jahr dank der Initiative und dem jahrzehntelangen Einsatz des Förderkreises. Heute sorgt er in den öffentlich zugänglichen Räumen des Turms für den reibungslosen Betrieb im weithin bekannten Ausflugsziel und Hochzeits-Hotspot. Immer einen Besuch wert ist der Museumsshop in der Eingangshalle, den der gemeinnützige Verein mit inzwischen 10 Angestellten betreut.
Der erste Verkaufsartikel des Förderkreises war eine Streichholzschachtel mit dem Hochzeitsturm als Motiv. Das Sortiment hat sich zu damals deutlich vergrößert. Für die Auswahl der vielen geschmackvollen Hochzeitsturm-Mitbringsel und lesenswerten Bücher zeigt sich Uta Müller-Merbach verantwortlich: die „Grande Dame“ des Vereins, erläutert Helfmann. Sie hat auch den Brauch, dass Braut und Bräutigam nach der Trauung aus einem Gefäß gleichzeitig trinken, von Nürnberg nach Darmstadt in den Hochzeitsturm gebracht. Der verfügt mittlerweile über eine stattliche Sammlung von 250 zum Teil wertvollen historischen Brautbechern.
Was ist der Hochzeitsturm heute?
„Der Hochzeitsturm ist das bekannteste, eindeutige Wahrzeichen unserer Stadt. Er ist unser Logo, das Zeichen für Darmstadt. Er ist prägend für unsere UNESCO Welterbestätte, über Darmstadt und Deutschland hinaus weltweit bekannt“, so Oberbürgermeister Partsch. Doch erst im Vergleich mit dem alten Zustand des Denkmals, sei der heutige Stellenwert des Hochzeitsturms zu begreifen. „Was uns heute selbstverständlich erscheint, war nicht immer so.“ Das lehrt die Nachkriegsgeschichte des Hochzeitsturms und auch die Geschichte seines Förderkreises. Vor vierzig Jahren setzte dieser Verein den entscheidenden Impuls, der ihn zu einem Schmuckstück und Touristenmagneten der Stadt machte.

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Noch mehr zum Lesen: Eine Übersicht aller Artikel zum Hochzeitsturm, die auf 23 Quer bisher erschienen sind, findet sich hier.