Eine, die schon ganz früh an die Mathildenhöhe glaubte und schon in den Neunziger Jahren hartnäckig für sie stritt, war Sissy Geiger. Die CDU-Kulturpolitikerin hat sich Jahrzehnte für das Architektur-Ensemble und die Welterbe-Idee eingesetzt, in einer Zeit, in der man dafür noch nicht viel Lorbeeren erntete, sondern mitunter auch auf tiefe Ressentiments stieß oder bestenfalls ein mildes Lächeln erhielt. An diese Zeit muss Sissy Geiger heute auch denken im Rückblick. Die mittlerweile 83jährige „Grande Dame“ der Mathildenhöhe lebt mit ihrem Mann seit 2009 wieder in Österreich, ihrer Heimat. Von dort grüßt Sie heute alle Leser:innen von 23 Quer, und freut sich unbändig, dass ihr Herzenswunsch in Erfüllung gegangen ist.

„Eins ist sicher: Ich habe nicht gedacht, dass ich den Eintrag auf die Welterbeliste noch erleben würde!“
Wenn Sie zurückblicken auf den langen Weg zum Welterbe, woran denken Sie?
Die Idee lag ja in der Luft und soviel ich weiß, gab es bereits Vorarbeiten aus dem Umkreis von Oberbürgermeister Peter Benz, die aber wieder verschwunden sind. Ich habe ungefähr 20 Jahre lang im Denkmalschutz gearbeitet, ehrenamtlich im Beirat, mit Unterbrechungen, weil mir die Stadt leidgetan hat. Es ist ja von den vielen Bombardements fast nichts vom Flair der alten Stadt übriggeblieben und ich kam aus Graz, das war ein Kulturschock für mich.
Wie war die Situation in den Anfangsjahren? Welche Rolle spielte dabei der Verein?
Schon vor der Gründung des Vereins kam unglaublicher Gegenwind aus der Politik, vor allem von Ruth Wagner, Landtagsabgeordnete der FDP. Den Menschen der ersten Stunden bin ich auch deshalb unendlich dankbar, dass sie mit mir gekämpft haben. Allen voran meinem Freund Hans Gerhard Knöll, der noch als Vorsitzender des Denkmalbeirats die Gründung des Vereins „Freunde der Mathildenhöhe“ mit forciert hat. Und vor allem auch Professor Pfestorf von der Abteilung Design der damaligen Fachhochschule, der mit seinen Studenten ein höchst intelligentes und markantes, wie schönes Design für das Erscheinungsbild des Vereins geschaffen hat.
Schien nicht das Ziel „Welterbe werden“ im Gründungsjahr 2006 unerreichbar weit?
Alle Mitglieder von Verein und Vorstand haben sich bisher unglaublich eingesetzt für das Zustandekommen des gemeinsamen Ziels, das von Anfang an das Bestreben war, die Mathildenhöhe als das zu würdigen, was ihr zusteht, nämlich zum Weltkulturerbe zu gehören. Die ganze Idee und das Ensemble Mathildenhöhe ist ja nicht zuletzt deshalb so einmalig und wichtig, weil hier praktisch Leitbilder geschaffen wurden, die weit in die nächsten Jahrzehnte gewirkt haben: in der Architektur, in der Kultur des Alltags wie zum Beispiel dem Design und Material der Gebrauchsgegenstände und nicht zuletzt die alles umspannende Idee der Lebensreform.
Viele Grüße an den ganzen Verein!