Die Fünf-Finger-Tür auf der Mathildenhöhe

Sichtbar inspiriert von dem Wahrzeichen der Stadt Darmstadt, dem Fünf-Finger-Turm aka Hochzeitsturm, zeigt sich diese Eingangstür einer Villa am Nikolaiweg auf der Mathildenhöhe. Fünf Finger, en minia“ture“ sozusagen.

Sie ziert das Haus Schreiner, eine der historischen Villen am Hauptweg des Hangs, der hinauf zum UNESCO Welterbe-Gelände führt. Mit Hausnummer 5 liegt sie relativ weit oben mit Paradeblick auf die Stadtkrone und ihrem alles überragenden Turm. Der Architekt war vermutlich Rudolf Schreiner. Er war zwar nicht Mitglied der berühmten Darmstädter Künstlerkolonie, aber eng mit ihr verbunden und ebenfalls ein erfolgreicher Baumeister. Zwischen 1911 und 1912 baute er für seinen vermögenden Vater, den Chemiker Dr. Ludwig Schreiner, wohl diese repräsentative Villa.

Der würfelförmige Bau hat eine Kantenlänge von 12 Metern und schließt mit einem Zeltdach nach vier Seiten ab. Ein eleganter Portikus rahmt damals wie heute eine tiefe Eingangsnische, in der die weiße Fünf-Finger-Tür derzeit die Blicke auf sich lenkt. Ob das mal ursprünglich so gedacht war vom Architekten, kann bezweifelt werden. Es ist aber auf jeden Fall ein Kuriosum der Gegenwart, das 23 Quer auf keinen Fall im Zusammenhang mit dem Hochzeitsturm unerwähnt lassen wollte.

Rudolf Schreiner wurde am 27. Dezember 1885 im heutigen Stuttgarter Stadtteil Feuerbach geboren. Ab 1905 ging er zum Studium der Architektur nach München und an die Technische Hochschule Darmstadt, das er 1909 mit dem Diplom abschloss. Nach einer sechsmonatigen Studienreise durch Italien arbeitete er als Assistent beim Architekten Friedrich Pützer, dem einflussreichen Darmstädter Hochschullehrer, Kirchenbaumeister, Denkmalpfleger und Stadtplaner. Nach erfolgreichem Ablegen des 2. Staatsexamens wurde ihm 1914 der Titel Regierungsbaumeister verliehen. Seine weitere Karriere setzte er im Öffentlichen Dienst als Landesdenkmalpfleger von Ostpreußen mit Sitz in Königsberg fort. Er starb am 21. August 1953 in Mainz.

Tipp: Vortrag über die Metzendorf-Villen am Freitag, den 9. Dezember 2022

Zum Schluss möchte 23 Quer Appetit auf noch mehr Villen machen und den folgenden Vortrag dringend empfehlen: „Architektur unterhalb der Mathildenhöhe – zum Werk von Heinrich und Georg Metzendorf „. Heinrich Metzendorf gilt mit seinen vielen historischen Villen als „Baumeister der Bergstraße“. Doch nicht nur dort haben er – und sein Bruder Georg – sichtbare Spuren hinterlassen. Auch in Darmstadt stehen ihre typischen von der Reformbewegung wie vom Jugendstil inspirierten Bauten, einige von ihnen im Villenviertel der Mathildenhöhe.

Der „Metzendorf“-Experte Frank Oppermann, langjähriger Vorsitzender der Bensheimer Metzendorf-Gesellschaft, Denkmalpfleger und emeritierter Architektur-Professor der Hochschule Darmstadt, richtet in einem Vortrag am Freitag, den 9. Dezember, den Blick auf die „Metzendorf-Architektur“, die sich zeitgleich und parallel zu den Ausstellungen der Künstlerkolonie Darmstadt Anfang des 20. Jahrhunderts auf der Mathildenhöhe entwickelte.

Hier – sozusagen als Appetizer – ein Bild von Metzendorfs Haus Kaiser im Alexandraweg 6, das deutlich vom Jugendstil inspiriert ist.

Die Veranstaltung der Freunde der Mathildenhöhe e.V. beginnt um 18:0 0Uhr im Haus der Geschichte am Karolinenplatz 3 (Vortragssaal). Der Eintritt ist frei. |

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1 – Hinweis: Als Architekt vom Haus Schreiner käme auch der namensgleiche Regierungsbaudirektor Karl Schreiner in Frage.

2 – Literatur: Mathildenhöhe: Magistrat der Stadt Darmstadt, Denkmalschutz – Kulturamt: Die Darmstädter Mathildenhöhe. Architektur im Aufbruch zur Moderne. Zwei Spaziergänge zu den Bauten der Jahrhundertwende. Beiträge zum Denkmalschutz in Darmstadt, Heft 8, 4. veränderte Auflage, Darmstadt, 2012.

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