Ein Versorgungsnetz für knorrige Charakterköpfe

Nach der zügigen Fällung von 35 Platanen Anfang Oktober geht es nun den Bäumen im Platanenhain weiter an die Wurzel. Mit einem eigens konstruierten Bagger wird vorsichtig das unterirdische Versorgungsgitter gegraben, für die zukünftige Bewässerung und Belüftung der alten wie neuen Platanen mit der typischen „Darmstädter Hohlkrone“. Durch diese Spezialbehandlung kann die Stadt Darmstadt das monumentale Gesamtkunstwerk aus Bäumen und Skulpturen von Bernhard Hoetger, seit Sommer 2021 auch Teil des UNESCO Welterbes Mathildenhöhe, großflächig erhalten. Früher als geplant, bereits im Frühjahr 2023, soll der Platanenhain frisch saniert erstrahlen.

Jeder einzelne Baum des Platanenhains ist wichtig. Jede einzelne Platane fordert eine individuelle Beurteilung. Der Verein der Freunde der Mathildenhöhe hat dazu während der Entscheidungsphase jede Platane des Hains separat mit der Kamera festgehalten, 23 Querreihen à zumeist acht Bäumen pro Reihe galt es abzulichten. Eine einmalige Fotogalerie aus rund 180 knorrigen Charakterköpfen ist so entstanden. Die Baumportraits von Nikolaus Heiss sind ein besonderes fotografisches wie denkmalpflegerisches Dokument.

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Behrens goes future: Die World Design Hauptstadt

Als sich im Oktober 1907 der Deutsche Werkbund in München gründete, waren unter den zwei Dutzend Gründern aus Künstlern und Unternehmern drei Namen von der Darmstädter Künstlerkolonie: der Architekt Joseph Maria Olbrich, der Keramiker Jakob Julius Scharvogel sowie der Gestalter und Architekt Peter Behrens. Sie wollten weg vom industrialisierten Kunstgewerbe hin zu technisch wie ästhetisch hochwertiger Qualitätsproduktion, eine Formgebung, die sich dem Zweck anpasst. Das berühmte spätere „Form follows function“ hatte hier seine Ursprünge, auch die „Neue Sachlichkeit“ in der Architektur. Insbesondere der Name Behrens ist aufs Engste mit dem Deutschen Werkbund verknüpft. Er sollte als ein Pionier des Industriedesigns und Erfinder der Corporate Identity in die Designgeschichte eingehen, vor allem mit seinen Entwürfen für die AEG, vom Ventilator bis zur Werkshalle. In seinem Büro haben später so berühmte Architekten der Moderne wie der Bauhaus-Gründer Walter Gropius, Mies van der Rohe oder Le Corbusier gearbeitet.

Der Deutsche Werkbund und die Künstlerkolonie Mathildenhöhe sind also auf jeden Fall historisch miteinander über ihr gemeinsames Personal und auch das Anliegen, den Alltag durch Gestaltung zu veredeln, verbunden. Auch räumlich ist man sich nahe: Darmstadt war und ist beiden Sitz und Zentrale. Und was die Zukunft angeht, bringt eine große internationale Bewerbung gerade einiges in Bewegung: die zur „World Design Capital – Frankfurt RheinMain 2026“. Die Inititiative zu dieser Bewerbung stammt von der Werkbundakademie (wba) in Darmstadt. Die Bewerbung für die Region erfolgt zentral von Frankfurt aus – vergleichbar etwa mit der Bewerbung Essens als Europas Kulturhauptstadt stellvertretend für das gesamte Ruhrgebiet vor einigen Jahren.

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35 Platanenbäume gefällt: Kahl ist es jetzt in der Mitte

Am Ende ging dann alles doch ganz schnell: Ruckzuck, kurz nach dem Feiertag zur Deutschen Einheit, kamen die Arbeiter mit den Sägen und innerhalb weniger Minuten war es geschehen: ein Baum nach dem anderen fiel zu Boden. 35 Platanen waren es insgesamt, wie am 11. Oktober im Darmstädter Echo zu lesen, die laut städtischem Grünflächenamt nicht mehr zu retten waren und daher gefällt werden mussten. Im Moment, von außen kaum zu sehen, sieht es besonders in der Mitte des grünen Hains reichlich kahl aus. Doch bereits Anfang November sollen 40 Jung-Platanen, die seit drei Jahren zur speziellen Form einer „Darmstädter Hohlkrone“ in einer Baumschule vorgezogen werden, die neuen großen und kleine alte Lücken im Raster der langen Baumreihen füllen.

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Es wird Herbst auf der Mathildenhöhe Darmstadt

Mit einem Aquarell aus des Meisters kunstfertiger Hand läutet 23 Quer den Herbst 2022 ein: das Ausstellungsgebäude mit Hochzeitsturm auf der Mathildenhöhe Darmstadt im Wechsel der Jahreszeiten. 1906 malte ihr Architekt Joseph Maria Olbrich dieses herbstlich gestimmte Bild mit Pergolen aus goldgelb gefärbtem Laub mit Deckfarben auf Papier, also noch vor der Fertigstellung des Baus zur Ausstellung von 1908. Ein bemerkenswertes Detail: Das Turmdach mit seinen fünf Fingern leuchtet in dieser Version nicht kupfergrün, sondern gelb. Unten rechts ist die quadratförmige Signatur Olbrichs zu erkennen. Das im Original 32,8 mal 52,3 Zentimeter große Aquarell zeigt eine Ansicht von Südosten. Es befindet sich heute in der Kunstbibliothek Berlin.

[Bildnachweis: Mathildenhöhe Darmstadt (Hrsg.): Joseph M. Olbrich, 1867 – 1908. Katalog zur Ausstellung anlässlich des 75. Todestages von Olbrich. Konzeption: Bernd Krimmel, Sabine Michaelis, Darmstadt, 1983, S. 225]

Oh, Britannia! Welterbe-Konzert mit Liedern der englischen Renaissance

Es hat keiner voraussehen können, aber manchmal fügen sich die Dinge einfach so, als hätte eine unsichtbare Hand Regie geführt. Denn dass es an diesem Sonntag, dem 11. September 2022, auf der Mathildenhöhe Darmstadt sehr britisch zugehen würde, das stand schon lange fest: „Come Sweet Love“ war das Leitmotiv eines Konzerts, mit dem der Musikverein Darmstadt um seine Leiterin Elena Beer selten gespielte Stücke aus der englischen Chor- und Instrumentalmusik der Renaissance vorstellte.

Doch wie passend waren diese besonderen Klänge an einem Nachmittag, an dem der Sarg der vor wenigen Tagen verstorbenen britischen Queen Elizabeth II. seine lange Reise von Balmoral Castle quer durch Schottland nach Edinburgh machte. Wer diese Fernsehbilder noch vor Augen hatte, dem kamen sie unwillkürlich wieder in den Sinn als der gemischte Chor aus rund 50 Sänger und Sängerinen vielstimmig das Foyer des Gebäudes der Hochschule Darmstadt am Olbrichweg füllte. Man sah sie sofort vor sich, „Scotland greenest hills“, die die Monarchin so sehr liebte und durch die sie zeitlich parallel zum Konzert auf der Mathildenhöhe noch ein letztes Mal fuhr.

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„The good die young“: Joseph Maria Olbrich

So unerwartet wie plötzlich verstarb Joseph M. Olbrich am 8. August 1908 in Düsseldorf. Der führende Kopf der Darmstädter Künstlerkolonie wurde mitten aus der Arbeit, aus seinem Leben gerissen, hinterließ seine Frau Claire und sein gerade geborenes, erstes Kind, eine Tochter. Er wurde nur 40 Jahre alt. Auf dem Alten Friedhof von Darmstadt fand nur wenige Tage später, am 12. August, die Beisetzung statt. Seine Totenmaske zeigt ein letztes Bild des Schwerkranken, den eine Leukämie in kürzester Zeit dahinraffte. Genau 114 Jahre ist das heute her. Es war damals ein Samstag, an dem er zu früher Nachmittagsstunde für immer von dieser Welt ging.

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Happy Birthday!

Ein Jahr UNESCO Weltkulturerbe

Nur hier auf der Welt ist der Aufbruch in die Moderne so schön und an so vielen Beispielen zu verfolgen wie auf der Darmstädter Mathildenhöhe. Besonders beim Hochzeitsturm von 1908 mit seinen über Eck laufenden Fensterbändern, die eine Premiere in der Architektur des 20. Jahrhunderts darstellen – in Darmstadt vom Architekten Joseph Maria Olbrich erfunden. Vor genau einem Jahr wurde das Ensemble aus Architektur, Gartenanlagen und Skulpturen, das zwischen den Jahren 1901 und 1914 zu vier Ausstellungen entstand, zum UNESCO Weltkulturerbe ernannt.

Die Entscheidung war spannend bis zum Schluss, aber schließlich fiel am 24. Juli 2021 gegen 15 Uhr unserer Zeit der Hammer im fernen China: „Adopted!“ Aufgenommen in die große Familie der UNESCO Welterbestätten. Mit den fünf Neuzugängen der Nominierten von 2020 und 2021 zählt Deutschland zur Zeit insgesamt 51 Welterbestätten. Die erste war 1978 der Aachener Dom.

Summertime: Streifzug über die Mathildenhöhe

Die Mathildenhöhe Darmstadt ist nicht nur Hochkultur. Hier blüht zwischen dem einzigartigen Ensemble aus Architektur, Gartenlagen und Skulpturen jetzt im Sommer das pralle Leben: Ein junges Paar entspannt am Lilienbecken, die „Kochenden Männer“ legen einen Stopp beim Hochzeitsturm ein, unablässig beziehen die Besuchergruppen vor dem goldenen Omega-Portal des Ateliergebäudes Position. Der Schwanentempel mit seiner blendenden Akustik wird kurzerhand zum Tango-Tanztempel während es die Boulespieler im Platanenhain eher französisch gelassen angehen. In den temporären Bauten der Gastronomie, den beiden Biergärten im Platanenhain und unter den hohen Bäumen des Osthangs, laden viele sonnige und auch schattige Plätzchen zum Verweilen und Genießen ein. Und selbst die Polizei genießt ihre Streife an diesem außergewöhnlichem Einsatzort, in dem selbst Baustellen schön aussehen. Friede, Freude, Sonnenschein.

„Meine Mathildenhöhe“: Flanieren mit dem neuen alten Osthang-Verein

Auch wenn seit kurzem „e.V.“ am Ende des Namens steht, stecken hinter dem Kunst- und Kulturprojekt „Osthang“ weiterhin viele motivierte Freiwillige, die das lange Zeit brachliegende Gelände an der Rückseite der Mathildenhöhe seit gut acht Jahren mit Flohmärkten, Ausstellungen, Konzerten, Workshops und Festivals beleben. Mit einem ganzen Verein zu flanieren, das wäre ein schwieriges Unterfangen, aber mit drei Mitgliedern des Teams vom Osthang-Verein hat sich 23 Quer etwas ausführlicher unterhalten. Denn wer seit Jahren dem UNESCO Welterbe räumlich schon so nahe ist, der hat doch bestimmt eine besondere Beziehung zum Musenhügel entwickelt und nicht nur eine zum Osthang. In der Rubrik „Meine Mathildenhöhe“ erzählen Menschen, die die Mathildenhöhe prägen, begleiten und für sie an den unterschiedlichsten Stellen wirken, ihre ganz persönlichen Geschichten zu diesem ganz besonderen Stück Darmstadt. Gemeinsam mit ihnen flanieren wir über den Musenhügel. Drei Orte, drei Stopps, drei Geschichten. Los geht’s!

Stopp 1: Der Pavillon des Ausstellungsgebäudes

Sie waren damals jung, sehr jung, die kreativen Geister der ersten Darmstädter Künstlerkolonie von 1901, die für so viel Furore und Aufsehen sorgen sollte. Erst zwanzig Jahre alt der Jüngste, zweiunddreißig der Älteste, dachten sie alles von Grund auf neu – das Wohnen, das Arbeiten, ja das ganze Leben. Eine unglaubliche Freude am Experimentieren durchzieht ihre vor Einfallsreichtum sprühenden Entwürfe. Vieles davon war einzigartig, einmalig, nie zuvor gesehen. Sie waren Pioniere der Moderne, die damals nicht ahnen konnten, dass sie ein Werk von herausragendem Wert für die Menschheit schaffen sollten.

Im gleichen Alter wie die Protagonisten der Künstlerkolonie zu Beginn des 20. Jahrhunderts sind heute auch Marius Wolf, 28, und Max Politz, 24, die sich seit vielen Jahren im „OHA Osthang“-Projekt engagieren. Wir sitzen gemütlich unter den schattigen Bäumen des Osthang-Geländes, die fünf Finger des Hochzeitsturms grüßen von oben, der Blick fällt auf die Rückseite des sich auf dem Hügel imposant erhebenden Ausstellungsgebäudes.

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Ausstellung „Manzil Monde“: Nadira Husain oder Zuhause in der Welt

Équilove, Deepwater (Nadira Husain, 2021)

Ein Pferd mit Flügeln, da denkt unsereins – jedenfalls, wenn er oder sie vom europäisch-antiken Kulturraum geprägt ist – doch gleich an Pegasus. Falsch gedacht! Auf das falsche Pferd gesetzt. Denn bei diesem Mischwesen aus Pferd und Mensch, das in vielen Varianten das Werk von Nadira Husain beflügelt, geht es um „Al-Buraq“, die arabische Version. Der Legende nach soll der Prophet Mohammed auf ihm von der Erde zum Himmel geflogen sein. So kennt diese Geschichte jeder in der muslimischen Welt, die weit, bis in den Fernen Osten, bis nach Indien reicht. Dort hat eine Künstlerin ihre Wurzeln, der das Institut Mathildenhöhe Darmstadt vom 26. Juni bis zum 2. Oktober 2022 eine Einzelausstellung in den Bildhauerwerkstätten des Ernst Ludwig-Hauses widmet.

Und so öffnet uns dieses Pferd die Augen für einen zumeist sehr unbekannten Kulturkreis, der zur Erfahrungs- und Erinnerungswelt einer Frau mit multikulturellem Hintergrund gehört, die 1980 in Paris geboren wurde. Dort arbeitet sie auch, aber simultan ebenfalls im südindischen Hyderabad oder in Berlin. Eine, die zwischen den Kulturen wandert, sich mit so aktuellen Themen von Herkunft, Heimat und Zuhause in einer globalisierten Welt auseinandersetzt, und auch mit Fragen rund um Rassismus und Feminismus.

„Mit ihr zeigen wir die erste Ausstellung mit zeitgenössischer Kunst nach Ernennung der Mathildenhöhe Darmstadt zum Weltkulturerbe“, erläutert Philipp Gutbrod, Direktor des Instituts Mathildenhöhe. „Die Internationalität unserer Stätte ist ein wichtiger Grund für unsere UNESCO-Welterbeanerkennung, die nun mit Manzil Monde eine spannende Verbindung eingeht.“ Schon im Titel der Ausstellung mischen sich die Welten: „Manzil“ hat indisch-arabische Ursprünge (Urdu), bedeutet in etwa „Haus“ oder „Zuhause“, während das französische „Monde“ die „Welt“ transportiert.

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Architektur im Aufbruch zur Moderne: Applaus für das „Welterbe-Buch“

Persönliche Widmung von den Autoren – auch für Joachim Fahrwald (mi.)

Oft ist es ja so, dass man bei Lesungen das präsentierte Buch danach eigentlich nicht mehr zu kaufen braucht: Hat man doch alles bereits gehört, was noch zu lesen wäre, ist die Lektüre des Lesestoffs nur noch langweilige Kopie. Das mussten die Besucher:innen nicht befürchten, die am 10. Juni zur Buchvorstellung ins Darmstädter Haus der Geschichte am Karolinenplatz kamen. Dazu ist der Fundus an Geschichten und Bildern einfach zu groß, der sich über viele Jahrzehnte des Einsatzes und der Leidenschaft für ihr Thema angesammelt hat: Weltkulturerbe Mathildenhöhe Darmstadt, der erste Bildband über das neue Mitglied der großen weltweiten UNESCO-Familie, wurde endlich, ein halbes Jahr nach dem Erscheinen, von Nikolaus Heiss und Renate Charlotte Hoffmann erstmals öffentlich präsentiert. 

Das sollte eigentlich schon im November letzten Jahres passieren. Doch die Stadt fühlte sich nicht ausreichend informiert und grätschte ihrem ehemaligen Leiter der Denkmalpflege und seiner Ko-Autorin dazwischen: Die geplante Präsentation fiel damals aus, auch wenn der Druck des Bandes mit kleiner Verzögerung noch vor Weihnachten erfolgte, sich das Werk seitdem bestens verkauft. „Eine völlig überflüssige Reaktion der Politik“, diesen Begrüßungsworten Hans Gerhard Knölls vom Verein der Freunde der Mathildenhöhe, die zusammen mit dem Bund Deutscher Architekten (BDA) zur Veranstaltung eingeladen hatte, schloss sich das zahlreich versammelte Publikum mit viel Applaus an. Knöll: „Der Stadtpolitik hat das Vorgehen geschadet, dem Buch sicherlich nicht.“ Hans-Henning Heinz erinnerte in einem Grußwort für den BDA an die Auszeichnung, mit der der Architektenverband 2020 Nikolaus Heiss für sein Lebenswerk geehrt habe. Ein Preis, den er für sein Engagement erhalten hat, „Baugeschichte und Baukultur zusammenzuführen und sie einem breiten Publikum nahezubringen“. Dialog ist sein Thema.

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Am Hauptbahnhof: Wo geht’s denn hier bitte zum Welterbe Mathildenhöhe?

Ja, das ist die große Frage. Ab 1. Juni gibt es für drei Monate das 9-Euro-Ticket für den Nahverkehr der Deutschen Bahn – und sicherlich wird der ein oder die andere auch das neue UNESCO-Weltkulturerbe, die Mathildenhöhe Darmstadt, per Schiene und Bus für sich entdecken wollen. Der Hauptbahnhof von Darmstadt wird sie alle begrüßen, die vielen Gäste und Besucher, die Darmstadt und sein ausgezeichnetes Schmuckstück erkunden.

Schon mit dem Begrüßen ist das so eine Sache. Von der „Welterbestadt“ Darmstadt spürt man bei der Ankunft herzlich wenig. Weder auf dem Niveau der Gleise, noch auf Höhe der Galerie, die man nach dem Erklimmen der Treppen oder dem Fahren mit den kleinen Glasaufzügen erreicht. Und dann wäre ja noch die Frage: Wohin muss ich jetzt eigentlich? Wo ist der Bus? Wo geht es denn jetzt zur Mathildenhöhe? Ob es die überhaupt in Darmstadt gibt, möchte man unweigerlich fragen. Bisher hat man noch nirgends einen Hinweis gesehen bei der Einfahrt in den Bahnhof. Ach, da rechts oben ist er ja, ein Wegweiser – übrigens der erste Hinweis im Bahnhof, allerdings noch ohne „Welterbe“ und „UNESCO“ im Titel.

Nach Ankunft rechts: Das blaue Schild oben weist Richtung Hintereingang zur Linie F.

Der Hauptbahnhof liegt im Westen von Darmstadt, die Mathildenhöhe im Osten, dazwischen das Stadtzentrum. Das sind gut vier Kilometer Strecke, die man zurücklegen muss, bevor man vor Olbrichs Frühwerk der Moderne und dem Wahrzeichen der Stadt, dem Hochzeitsturm, steht. Es gibt sogar eine Busverbindung, die ohne Umsteigen direkt ans Ziel führt: Der F-Bus, der von der Darmstädter Haasstraße quer durch die Stadt von West nach Ost bis zum Oberwaldhaus fährt, und im Wechsel als FU-Bus sogar noch ein Stückchen weiter – bis nach Messel.

Der Welterbebus schlechthin! Der FU-Bus fährt zum UNESCO Weltkulturerbe Mathildenhöhe, um dann weiterzuziehen zum UNESCO Weltnaturerbe Grube Messel. Zwei auf einen Streich, auf einer Linie! Eigentlich eine einmalige Welterbe-Strecke, die perfekt wäre für Besucherführung und Marketing.

Es gibt da nur ein Handicap. Und das liegt an der Bushaltestelle für den F/FU-Bus am Bahnhof. Denn diesen Empfang kann man eigentlich keinem Welterbe-Vermarkter für die Gäste seiner Stadt empfehlen. 23 Quer ist nach rechts gegangen und dem Hinweisschild gefolgt. Sehen und lesen Sie selbst:

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Das Welterbe macht mobil: Kostenlos mit dem Shuttle auf die Mathildenhöhe

Ein super Service der Stadt Darmstadt: Mit dem Welterbe-Shuttlebus geht es alle 30 Minuten hinauf die Mathildenhöhe, täglich zwischen 10:45 und 17:15 Uhr. Abfahrt ist am darmstadtium/Kongresszentrum mit den Haltestellen Pützerstraße und Ostbahnhof. Und selbstverständlich geht es für die Besucher:innen auch kostenlos wieder hinunter: Die Haltestelle befindet sich gut sichtbar oben am Olbrichweg, schräg gegenüber vom Shop des Museums Künstlerkolonie im Oktogon. Der erste Bus ab Mathildenhöhe startet um 11:02 Uhr, dann um 11:32 Uhr, bis um 17:32 Uhr der letzte des Tages losfährt. Mit den beiden Haltepunkten Ostbahnhof und Jugendstilbad hat man dabei eine Mini-Stadtrundfahrt inklusive, wenn auch nur von kurzer Dauer: Denn in genau 9 Minuten erreicht man schon das Ziel: die Endstation am Kongresszentrum.

Der komplette Fahrplan mit allen Haltestellen findet sich hier: Fahrplan Welterbe-Shuttle. Aktuelle Infos zum Welterbe-Shuttle gibt es immer auf der Darmstadt Marketing Website: www.darmstadt-tourismus.de/mathildenhoehe.

Ein Haufen Holz auf dem Platanenhain: Handwerk im Dienst der hohen Kunst

Was haben diese langen Holzleisten mit den farbigen Enden mit der Mathildenhöhe zu tun? Ganz schön viel! Denn gäbe es sie nicht, dann würde es schwierig werden mit der Denkmalpflege auf dem Platanenhain. Die Darmstädter Schreinerei Uhland hat sie angefertigt. Ihre Mitarbeiter sind mittlerweile wahre Experten, was die vielen Skulpturen aus der Hand des Bildhauers Bernhard Hoetger angeht, die das rechteckige Areal zu Füßen des hohen Hochzeitsturms rahmen.

Jedes Jahr rückt das Team zweimal an. Im Herbst, um sie alle einzupacken, und im Frühjahr, um sie von ihrem Winterkleid zu befreien: einem Holzhäuschen, das jede einzelne von ihnen über die kalte Jahreszeit schützend unhüllt. Insgesamt 21 hat die Schreinerei Uhland davon angefertigt, die jedes Jahr zusammen- und wieder auseinandermontiert werden müssen. Und hier kommen die Holzleisten ins Spiel. Denn sie werden für die Einlagerung der mehr als hundert Holzwände und -decken gebraucht. Über den Sommer stehen sie bei der Firma Schenck, die hierfür eigens Lagerraum zur Verfügung gestellt hat. Nikolaus Heiss und Claus Dieter Knöchel vom Vorstand der Freunde der Mathildenhöhe sind wie jedes Jahr im Frühling mit Vereinskollegen dabei, wenn Firmenschef Eberhard Uhland und sein tatkräftiges Team zur Demontage anrücken.

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Der Osthang 1908: Ein Traum von einem Garten

Unglaublich schön – auf immer vergangen: das Gartenparadies, das Albin Müller 1908 für den Osthang zauberte. Um ein zentrales Wasserbecken gruppierten sich damals terrassenförmige Beete, die in das abschüssige Gelände eingelassen waren. Viel Sonne von Süden gab es für das üppig blühende Grün, für die Seerosen im Teich, für die großen Kübelpflanzen, für die Pergolen mit ihren hoch rankenden Blumen, die sich die gesamte Rückfront entlang zogen. Es war eine fast schon mediterrane Anlage mit den vielen Treppen und den in Stein gefassten und geliederten Ebenen. Zu diesem Eindruck trug auch die luftige Ladengalerie mit ihren schlanken Säulen bei, deren Oval sich markant zur Straße hervorschob.

Dieser Garten war 1908 eine entzückende Oase im großen Treiben der Ausstellung. Und zum Glück können wir heute noch ein wenig teilhaben an dieser einzigartigen Atmosphäre, die für einen Sommer auf dem Osthang der Mathildenhöhe erblühte. Der Digitalisierung und dem Institut Mathildenhöhe sei Dank ist der historische Katalog von Albin Müller zu seinen Entwürfen seit Herbst 2021 öffentlich zugänglich. Eine Zeitreise in acht Bildern:

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Ein hohes Zeichen des Dankes: Visionäres von der Mathildenhöhe

Entwurfszeichnung von Albin Müller, 1919.

Wäre es nach Albin Müller gegangen, sähe es auf der Mathildenhöhe heute in etwa so aus wie auf diesem Bild: Im Hintergrund erkennt man gut den Hochzeitsturm links sowie das Ausstellungsgebäude mit seinem Pyramidendach rechts. Doch was ist das im Vordergrund? Das hochaufragende Gebilde in der Mitte? Was sollen die Laubengänge und die Gebäude mit den Kuppeldächern? Und – wo ist eigentlich der Platanenhain?

Der ist weg! Der altehrwürdige Hain, erst zur Ausstellung von 1914 mit den Plastiken Bernhard Hoetgers bereichert, musste im Entwurf, den der Chefarchitekt der Künstlerkolonie 1919 als Federzeichnung aufs Papier brachte und kolorierte, weichen. Stattdessen findet sich an dieser Stelle ein quadratisch angelegter Platz und in dessen Zentrum ein Denkmal zu Ehren des Großherzogs Ernst Ludwig. Nicht auszudenken, wenn er in die Realität umgesetzt worden wäre. Dann wären die Platanen des altehrwürdigen Hains, die zur Zeit die besondere Aufmerksamkeit aller Freunde der Mathildenhöhe genießen, schon vor hundert Jahren Vergangenheit gewesen.

Albin Müller konnte sich hier nicht durchsetzen, wie mit vielen seiner städtebaulichen Entwürfe für die Mathildenhöhe oder etwa das Woogsviertel, die er nach dem Ersten Weltkrieg machte. Er, der der großherzoglichen Familie bis zu den dramatischen Ereignissen von 1937 immer aufs Engste verbunden blieb, stieß beim „Freund und Schirmherrn seiner Künstler“ wie es in der Unterschrift steht, mit seiner Idee eines Ehrendenkmals auf keine Reaktion. Der hatte 1919 im republikanisch werdenden Deutschland vermutlich auch andere Sorgen.

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Deutsch-Russische Beziehungen anno 1899

Wenn der Adel albert: Der letzte Zar von Russland, Nikolaus II. (ganz rechts), zu Besuch bei dem Bruder seiner Frau, Großherzog Ernst Ludwig (Zweiter von links), in Schloss Wolfsgarten. Da waren die deutsch-russischen Beziehungen noch ungetrübt. Wie’s scheint, hatten die Herren wie auch die beiden Damen (Großherzogin Victoria Melita links und Zarin Alexandra rechts) viel Spaß bei ihrem lustigen Treiben mit den Verwandten. (Foto: Sammlung Kristof Doffing, Langen)

Aufschlussreich: Albin Müllers Autobiografie

Eine Gemeinschaft gleichgesinnter Kreativer, ein freundschaftlicher Zusammenschluss unter Künstlern – daran denkt man wohl zuerst bei einer Künstlerkolonie. So ging es auch Albin Müller als er dem Ruf von Großherzog Ernst Ludwig folgte, von der Magdeburger Kunstgewerbeschule an die Mathildenhöhe wechselte und dort zum 1. Oktober 1906 neues Mitglied der Künstlerkolonie Darmstadt wurde. Doch – „meine Hoffnungen und Bemühungen schlugen von Anfang an und in der ganzen Folgezeit fehl.“

Ich hatte in weltfremder, idealistischer Auffassung von einer harmonischen Künstlergemeinde, von reger gegenseitiger Anregung, von einem Eintreten füreinander geträumt, und sah mit Trauer, daß sich davon nichts in der realen Welt verwirklichen ließ.

Künstler sind mehr als andere Menschen Individualisten. Sie müssen es sein um des persönlichen Ausdrucks ihrer Kunst willen. So platzen in ihren Reihen die Meinungen und Anschauungen stärker aufeinander als in anderen Berufsgruppen.

Von der ersten Generation der Darmstädter Künstlerkolonie existieren Briefe aus der Feder Joseph Maria Olbrichs, die tiefe Einblicke in die Zerrissenheit der Ausstellungsmacher von 1901 geben, insbesondere in Bezug auf das Verhältnis des Architekten zu Peter Behrens. Für die Zeit von Albin Müller, dem Nachfolger und zweiten Chefarchitekten der Künstlerkolonie, verfügen Historiker ebenfalls über ein sehr persönliches Dokument: seine viele Jahrzehnte später, Ende 1939, verfasste Autobiografie „Aus meinem Leben“.

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Große Glückerthaus: Der Kamin mit Pfauenfedern

Noch ein Kamin von der Mathildenhöhe. Und was für einer! Wie schon in seinem Privathaus hat Joseph Maria Olbrich auch für das Große Glückerthaus eine komplette Kaminwand gestaltet. Diesesmal lädt sie allerdings nicht zum gemütlichen Beisammensein in kleiner Runde ein, sondern ist eher der prächtige Mittelpunkt einer ebenso prächtigen Halle. Auch hier geht es wieder um den für Olbrich zentralen Begriff der Gemeinsamkeit im Leben und Arbeiten, für den der Architekt einen entsprechenden Raum einzuplanen hatte. Doch in diesem Fall dienen Halle wie Kamin vor allen Dingen der öffentlichen Repräsentation: Mit ihnen wollte der Darmstädter Möbelfabrikant Julius Glückert in seinem Geschäftsgebäude und Ausstellungshaus glänzen.

Eine gediegene Kaminatmosphäre vor weißer Wand mit dem leuchtenden Blau, Grün und Türkis von langen Pfauenfedern links und rechts und einer ebenso bunten Blumenranke in der Mitte – das ist in seiner Gestaltung bis heute provokant, außergewöhnlich, denkt man etwa an typische Kaminzimmer in dunklem Holz. Vor allen Dingen ist es aber Ausdruck von Luxus, Eleganz und auch ein wenig technischer Finesse für die damalige Zeit. Denn mit 18 Glühbirnen, zu beiden Seiten des Kaminabzugs als Leiste jeweils gekonnt in das Pfauenfedermotiv eingewoben, besaß die Kaminwand sogar eine integrierte Beleuchtung

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Haus Olbrich: Das Kamin-Häuschen in der Halle

Der Kamin im Haus Olbrich: mehr als nur eine Feuerstelle.

Jetzt wird es kuschelig und warm! Schließlich ist Winter – und so versammelt 23 Quer nun alle Leser:innen um den Kamin. Denn um den geht es in diesem Beitrag, und die besondere Rolle von Kaminen in den Künstlervillen auf der Mathildenhöhe. Ein ganz besonders schönes Exemplar hat Joseph Maria Olbrich für sein eigenes Haus entworfen. Sein wie immer wunderbares Aquarell zeigt viele Details und vermittelt mit einer enormen Farbigkeit das wohnliche Raumgefühl dieses einladenden Wohnobjekts. Olbrich hat hier eine ganze Kaminwand entworfen, die optisch wie ein kleines Häuschen im Haus Olbrich gestaltet ist.

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