„Auferstehung“: Und alles beginnt wieder von vorn

Auferstehung hat Bernhard Hoeger das vierte seiner eindrücklichen Reliefbilder auf dem Platanenhain genannt. Sie ist an diesem Punkt des monumentalen Raumprogramms jedoch alles andere als christlich gemeint. Diese Auferstehung hier ist dem Pantheismus geweiht, der das Göttliche in der Natur feiert.

Dem Kreislauf des Lebens, dem Werden, Blühen, Altern, Vergehen und Neuerstehen alles Seienden ist das Werk gewidmet: Die Unzerstörbarkeit des Lebens im Wandel seiner Erscheinungsformen ist dieser Weisheit Anfang und Ende.

Hans Hildebrandt, 1915

Vor diesem Hintergrund bebildert die Auferstehung Hoetgers die geheimnisvolle Wiedergeburt der Natur. Dies geschieht während einer langen Reise vom Herbst, in dem die Natur in einen tiefen Schlaf fällt, bis in den Frühling – eine Strecke, die wir als Besucher auf dem Platanenhain quasi nachempfinden, wenn wir die lange Passage vom Bild des Schlafs ganz im Westen zu dem der Auferstehung im Osten absolvieren, um dann hinüber zum Frühling weiterzuziehen. Wir befinden uns am Ende, aber gleichzeitig wieder am Anfang – des von Hoetger gesteckten Parcours, aber auch des ewigen Kreislaufs vom Werden und Vergehen.

Hier am ersten Relief direkt neben dem Eingang findet das Entscheidende statt, hier kommt alles zum Ende und beginnt alles wieder von vorn. Hier passiert der magische Moment, den auch wir gerade draußen beobachten. Es ist noch Winter, aber man kann förmlich zuschauen, wie die Natur den letzten Frost abschüttelt, sich der spürbar wärmer werdenden Sonne entgegenstreckt, sich alles wieder mit neuem Leben füllt. Der Frühling ist nicht mehr weit. Eine wunderbare Auferstehung!

Nicht umsonst gilt vielen das Platanenrechteck als „heiliger Hain des Pantheismus“: ein Dom aus Bäumen, mit dem weiten Himmelszelt als Dach, und einer Bildsprache, die besonders in den vier Bildreliefs einem Gottesdienst für die Natur gleicht.

W O H E R   S I E   K O M M E N   M E R K S T   D U   N I C H T

M E R K S T   N I C H T   W O H I N   S I E   G E H E N

D E R   W E S E N   M I T T A G   M E R K S T   D U   H I E R

W A S   M U T E T   A L S O   W E H   D I C H   A N

(Zweiter Gesang der Bhagavadgita, 28. Vers)


Literatur

Hans Hildebrandt: Der Platanenhain. Ein Monumentalwerk Bernhard Hoetger’s, Berlin, Verlag Paul Cassirer, 1915:

Mathildenhöhe Darmstadt, Ralf Beil und Philipp Gutbrod (Hrsg.): Bernhard Hoetger. Der Platanenhain. Ein Gesamtkunstwerk auf der Mathildenhöhe Darmstadt,  26. Mai bis 25. August 2013, Ausstellungskatalog

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