Louis: Das Hessische im Britischen

Es geht hier nicht um Charles III., den frisch gesalbten und nun gekrönten König von Großbritannien, sondern um seinen Enkel Louis Arthur Charles, dem aktuell Vierten in der britischen Thronfolge, dem momentan besten Entertainer des Hauses Mountbatten Windsor. Sein herzhaftes Gähnen während der fast zwei Stunden dauernden Krönungszeremonie in der Londoner Westminster Abbey sorgte am 6. Mai einmal mehr für Erheiterung beim Boulevard und an den Bildschirmen. Insgesamt hat sich der gerade fünf Jahre alte Prinz von Wales, Sohn von William und Kate, vor den Augen einer Weltöffentlichkeit und den stets präsenten Kameras jedoch wacker geschlagen – der kleine Louis, der Lui.

Aber, wie kam der quirlige britische Prinz eigentlich zu seinem Namen – und was hat das hessische Darmstadt und die Mathildenhöhe damit zu tun?

Auch Darmstadt hat seinen Lui, und noch sehr viele mehr davon im Repertoire. Denn neben dem Langen Lui auf seiner Säule auf dem Luisenplatz gab es in der Geschichte von Hessen-Darmstadt ganze 9 Herrscher, die den Namen Ludwig trugen. Bei insgesamt 13 Landgrafen und Großherzögen seit Gründung 1567 ist das kein schlechter Schnitt. Ludwig, mit diesem Namen liegt man im Zweifelsfall in Darmstadt immer richtig. Ansonsten landet man mit Georg oder Ernst Ludwig Treffer, die jeweils zwei Regierenden ihren Namen gaben.


Die „Battenbergs“: Das glückliche Ende einer nicht standesgemäßen Liebe und Heirat

Prinz Alexander von Hessen und bei Rhein, ein Bruder des regierenden Großherzogs Ludwig III., verliebte sich in die polnische Hofdame seiner Schwester Marie, der Zarin von Russland. Gräfin Julie von Hauke war die Glückliche und bald Schwangere, derentwegen er unehrenhaft aus der russischen Armee entlassen wurde und sie auf der Flucht in Breslau 1851 heiratete. Diese Beziehung war alles andere als standesgemäß für den südhessischen Prinzen, sie wurde als „morganatische“ Ehe behandelt. Alexanders Frau und Kinder wurden daher von der hessischen Erbfolge ausgeschlossen, bekamen aber vom Großherzog einen eigenen Adelstitel verliehen und begründeten eine neue fürstliche Nebenlinie des Hessen-Darmstädter Hofs: die „von Battenberg“. Ein Name, der noch Geschichte schreiben sollte. Auch bei den Battenbergs, die oberhalb von Jugenheim an der Bergstraße auf Schloss Heiligenberg ihren Sitz hatten, nannte man den Erstgeborenen, der am 24 Mai 1854 in Graz zur Welt kam, nach seinem Onkel Ludwig III. und unzähligen hessischen Vorfahren gleichen Namens Ludwig.


Thronfolger Ludwig IV. von Hessen und bei Rhein hatte 1862 eine Tochter Queen Victorias geheiratet, Prinzessin Alice von Großbritannien und Irland. Mit ihr wurde bald alles anders: Britisches Lebensgefühl, die englische Sprache sowie Geld und Einfluss Queen Victorias bestimmten fortan das Leben am Hofe von Hessen-Darmstadt.

Alice war es auch, die den jungen Ludwig der Battenbergs sehr in seinem Wunsch unterstützte, eine Marinelaufbahn in ihrer Heimat einzuschlagen. Im Alter von vierzehn Jahren verließ er seine Familie und Schloss Heiligenberg und ging zur Ausbildung nach Großbritannien. Dies war der Anfang einer außergewöhnlichen militärischen Karriere, in der er 1912 als Erster Seelord die höchste Position der Royal Navy erreichte.

Mit ihm wurden die hessischen Ludwigs erstmals britisch. Aus dem Prinzen Ludwig Alexander von Battenberg wurde „Prince Louis of Battenberg“, aus dem Hessen ein britischer Untertan. 1884 heiratete er zudem noch ein in die britische Königsfamilie: Prinzessin Victoria, die Tochter seiner früh verstorbenen Mentorin Großherzogin Alice aus Hessen-Darmstadt, wurde seine Frau und damit eine Enkelin Queen Victorias seine Gattin.

Victoria und Louis of Battenberg: die hessischen Großeltern von Prinz Philip

Victoria und Louis of Battenberg, die ihre Kindheit in Bessungen und Darmstadt sowie in Jugenheim an der Bergstraße verbracht hatten, waren viel unterwegs im Commonwealth, immer im Dienst der Navy, der britischen Krone und Queen Victorias. Sie wurden Eltern von vier Kindern. Das Älteste war eine Tochter, Alice von Battenberg. Sie heiratete 1903 in Darmstadt Prinz Andreas von Griechenland und Dänemark. Die griechisch-orthodoxe Trauung fand im Kreis der hochadligen Verwandten in der Russischen Kapelle auf der Mathildenhöhe statt. Alice wiederum bekam vier Töchter, bevor am 10. Juni 1921 auf Korfu ihr einziger Sohn und Nesthäkchen Prinz Philip geboren wurde. Jener Prinz Philip, der 1947 Gemahl der britischen Queen Elisabeth II. werden und sie sein Leben lang begleiten sollte.


Aus Ludwig wurde Louis, aus Battenberg wird nun Mountbatten

Victoria und Louis legten 1917 während des Ersten Weltkriegs gegen Deutschland alle hessischen Titel und Würden ab und führten seitdem statt des ursprünglich deutschen Namens „Battenberg“ eine ins Englische übertragene Fassung: „Mountbatten“. Sie folgten damit König Georg V., der seinem deutschstämmigen Haus „Sachsen-Coburg und Gotha“ den Namen „Windsor“ gab. Er erteilte Louis Mountbatten zudem den britischen Adelstitel eines „1. Marquess of Milford Haven“.


Neben ihrer Tochter Alice sollte noch ihr 1900 geborener Sohn Louis, dem sie den gleichen Namen wie dem Vater gegeben hatten, eine wichtige Rolle für den königlichen Thron spielen. Auch er strebte eine Karriere bei der Marine an, auch er war sehr erfolgreich, brachte es zum Ersten Seelord wie sein Vater, und war zudem der letzte Vizekönig Indiens. Doch Louis, 1. Earl Mountbatten of Burma, gilt vor allen Dingen als diejenige Person, die sich um die Ausbildung des jungen Philip gekümmert hat, der vorher wechselnd in Internaten oder bei seinen älteren Schwestern in Deutschland ein Zuhause fand. Onkel Louis soll nicht ganz ohne Hintergedanken seinen Neffen mit der Thronfolgerin Elisabeth in Kontakt gebracht haben. Sie besuchte mit ihrer Familie eine Seekadettenschule – und verliebte sich als Dreizehnjährige prompt in den sportlich-attraktiven Prinzen, der dort stationiert und ihr als Betreuer zur Seite gestellt war.

Philip musste, als er die zukünftige Königin Elisabeth 1947 heiratete, auf seine väterlichen Titel als Prinz von Griechenland und Dänemark verzichten. Er nahm den Namen seines Onkels (und damit der mütterlichen Linie) an: Philip Mountbatten. So kommt es, dass die Nachfahren von Prinz Philip mit bürgerlichen Namen heute Mountbatten Windsor heißen. Das ist wegen der üblichen Adelstitel meist nicht sichtbar, aber beim Sohn von Prince Harry und Meghan etwa noch zu erkennen: Archibald Harrison Mountbatten Windsor war sein Taufname. 

Nicht nur die Battenbergs, auch die hessischen Ludwigs sind nicht ganz verschwunden aus dem Königreich. Denn mit der Geburt von Louis von Wales am 23. April 2018, dem kleinen Prinzen mit den lustigen Grimassen, ist der alte Name der hessischen Vorfahren wieder vertreten im britischen Königshaus. Er soll an den im Familienkreis geschätzten Louis Mountbatten erinnern, an den 1979 bei einem Attentat getöteten Onkel von Prinz Philipp und Großonkel von König Charles III.

Eines können wir auf jeden Fall festhalten: Wer bei den Mountbatten Windsors in London Louis heißt, der trägt einen Namen mit einer langen Familiengeschichte. Einer, die unweigerlich ins Hessische und nach Darmstadt zurückführt.

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Ein Kommentar zu „Louis: Das Hessische im Britischen

  1. Liebe Petra,
    herzlichen Dank für Deinen Ausflug in die dynastische Geschichte zwischen Darmstadt und London. Du hast die Verbindungen der einzelnen Akteure zu- und miteinander sehr klar dargestellt. So muss man sich nicht durch Geschichtsbücher wühlen, wenn man sich für diese Geschichte interessiert.
    Herzlichen Gruß,
    Hans Gerhard Knöll

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