Am Hauptbahnhof: Wo geht’s denn hier bitte zum Welterbe Mathildenhöhe?

Ja, das ist die große Frage. Ab 1. Juni gibt es für drei Monate das 9-Euro-Ticket für den Nahverkehr der Deutschen Bahn – und sicherlich wird der ein oder die andere auch das neue UNESCO-Weltkulturerbe, die Mathildenhöhe Darmstadt, per Schiene und Bus für sich entdecken wollen. Der Hauptbahnhof von Darmstadt wird sie alle begrüßen, die vielen Gäste und Besucher, die Darmstadt und sein ausgezeichnetes Schmuckstück erkunden.

Schon mit dem Begrüßen ist das so eine Sache. Von der „Welterbestadt“ Darmstadt spürt man bei der Ankunft herzlich wenig. Weder auf dem Niveau der Gleise, noch auf Höhe der Galerie, die man nach dem Erklimmen der Treppen oder dem Fahren mit den kleinen Glasaufzügen erreicht. Und dann wäre ja noch die Frage: Wohin muss ich jetzt eigentlich? Wo ist der Bus? Wo geht es denn jetzt zur Mathildenhöhe? Ob es die überhaupt in Darmstadt gibt, möchte man unweigerlich fragen. Bisher hat man noch nirgends einen Hinweis gesehen bei der Einfahrt in den Bahnhof. Ach, da rechts oben ist er ja, ein Wegweiser – übrigens der erste Hinweis im Bahnhof, allerdings noch ohne „Welterbe“ und „UNESCO“ im Titel.

Nach Ankunft rechts: Das blaue Schild oben weist Richtung Hintereingang zur Linie F.

Der Hauptbahnhof liegt im Westen von Darmstadt, die Mathildenhöhe im Osten, dazwischen das Stadtzentrum. Das sind gut vier Kilometer Strecke, die man zurücklegen muss, bevor man vor Olbrichs Frühwerk der Moderne und dem Wahrzeichen der Stadt, dem Hochzeitsturm, steht. Es gibt sogar eine Busverbindung, die ohne Umsteigen direkt ans Ziel führt: Der F-Bus, der von der Darmstädter Haasstraße quer durch die Stadt von West nach Ost bis zum Oberwaldhaus fährt, und im Wechsel als FU-Bus sogar noch ein Stückchen weiter – bis nach Messel.

Der Welterbebus schlechthin! Der FU-Bus fährt zum UNESCO Weltkulturerbe Mathildenhöhe, um dann weiterzuziehen zum UNESCO Weltnaturerbe Grube Messel. Zwei auf einen Streich, auf einer Linie! Eigentlich eine einmalige Welterbe-Strecke, die perfekt wäre für Besucherführung und Marketing.

Es gibt da nur ein Handicap. Und das liegt an der Bushaltestelle für den F/FU-Bus am Bahnhof. Denn diesen Empfang kann man eigentlich keinem Welterbe-Vermarkter für die Gäste seiner Stadt empfehlen. 23 Quer ist nach rechts gegangen und dem Hinweisschild gefolgt. Sehen und lesen Sie selbst:

Statt mit seiner beeindruckenden Jugendstilarchitektur und seinem schön gestalteten Vorplatz begrüßt Darmstadt die Welterbegäste am Bahnhof mit dem langen Flur einer Ladenpassage. Und an derem Ende…

… steht man an einer Rolltreppe. Da geht es dann wohl hinunter? Es folgt kein Schild mehr, kein Wegweiser. Wer Glück hat, geht unten nach rechts durch die Glastür. Wer Pech und den falschen Riecher, der geht nach links durch die große Glasfront und landet an der Rückfront des Bahnhofs auf einem großen freien Platz – dem „Europaplatz“ – , an dessen Ende sich auch eine Bus-Haltestelle befindet. Leider ist das nicht die mit dem „F“. Dann hilft eigentlich nur noch fragen, denn man muss außerhalb des Gebäudes wieder zurück gehen und quasi unter den Bahnhof in eine Unterführung laufen. Wer das nicht weiß, verirrt sich garantiert.

Und da ist sie auch schon: Unsere Haltestelle für den F/FU-Bus, erkennbar auch an der bahnhofsinternen Platzkennziffer „PL. 22“. Man muss nicht lange warten bis der Bus kommt. Er fährt von früh morgens ab 4:43 Uhr bis spät nachts um 23:38 Uhr, tagsüber in enger Taktung von 15 Minuten.

Das ist auch gut so. In dem Tunnel zieht’s ganz schön, und einladend ist das Aschenbecher-Ambiente der Haltestelle auch nicht gerade. Der Bus kommt, ist das der Richtige? Es steht Messel vorne drauf, auch Luisenplatz, aber von Mathildenhöhe wieder keine Spur.

Drinnen im F/FU-Bus: Ein sehr gepflegtes Ambiente begrüßt hier den Fahrgast. Über Stopps an der Berliner Allee, Rheinstraße und dem Luisenplatz, gelangt man zur Haltestelle Schloss und weiter zur Haltestelle für die TU an der Alexanderstraße und zur Haltestelle am Alice-Hospital. Bis dahin kein Wort, kein Ton, dass dieser Bus zum UNESCO Welterbe führt. Immerhin taucht gegen Ende der Fahrt wieder das Wort „Mathildenhöhe“ auf: Auf dem Display hoch oben unter der Busdecke ist sie als Punkt im Routenplan zu lesen: die Haltestelle „Mathildenhöhe“. Es ist der siebte Stopp ab Hauptbahnhof.

Hier geht’s nach relativ kurzer Fahrt, 13 Minuten hat sie gedauert, raus aus dem Bus. Doch, wer sich nicht auskennt und nicht zufällig noch während der Busfahrt kurz vorher den Kopf nach rechts gewandt hat, steht fragend auf dem Bürgersteig. Wohin muss ich mich wenden? Nach links oder nach rechts? Man sieht wegen der hohen Umgebungsbebauung hier, direkt an der Haltestelle, definitiv keine Mathildenhöhe – und wie gewohnt auch kein Hinweisschild. Das kommt dann später, wenn man nach rechts geht, ganz hinten, hinter den grünen Mülltonnen, von der Haltestelle aus nicht zu lesen.

Wir sind fast am Ziel, am Fuß der Mathildenhöhe. Am persischen Restaurant links vorbei und noch 200 Meter zu Fuß den langen Hang hinauf und wir sind da: Ganz oben am Lucasweg blitzt schon die goldene Uhr vom Hochzeitsturm.

Das Fazit der Testfahrt, die 23 Quer vor einigen Wochen unternahm: Der Weg vom Hauptbahnhof zu Darmstadts UNESCO Welterbe führt Gäste, die mit dem öffentlichen Personennahverkehr via empfohlener F/FU-Linie unterwegs sind, von einem Hintereingang zum nächsten. Es sind nicht die schönsten Entrées zur Stadt und dessen kunsthistorischem Schatz, die dabei den vielen Zugreisenden zur Mathildenhöhe, die man wohl demnächst erwarten darf, geboten werden.

Wenn sie den F-Weg denn alleine meistern als Ortsfremde. Bei der dünnen Beschilderung auf der Strecke und nicht gerade vielen Hinweisen schon zu Anfang im Bahnhof möchte man ihnen dazu fast schon applaudieren.

***

Nachschlag

Die Abfahrt des Busses zum UNESCO Weltkulturerbe auf der Mathildenhöhe muss, und dazu gibt es keine Alternative, über den Haupteingang und attraktiven Vorplatz des Bahnhofs erfolgen. Solange der F/FU-Bus weiterhin von der Haltestelle des nicht repräsentativen Hinterhofplatzes im Tunnel auf der Westseite der Gleise losfahren muss (und das scheint aufgrund komplexer Planungszusammenhänge im RMV-Verkehrsverbund nicht so einfach und schnell zu ändern zu sein), kann man eigentlich nur davon abraten, die ankommenden Fahrgäste der Deutschen Bahn noch dorthin zu lenken.

Die Freunde der Mathildenhöhe äußern daher eine dringende Bitte: Das Hinweisschild auf den F-Bus am Hauptbahnhof an der Galerie über den Gleisen sollte sofort, wenn irgend möglich vor dem Start des 9-Euro-Bahntickets zum 1. Juni 2022, entfernt werden. Ein neuer Wegweiser muss die Ankommenden nach links führen – zum Haupteingang und Vorplatz des Pützerbaus. Von hier geht es dann mit den vielen Linien des ÖPNV in die City und mit dem kostenlosen Welterbe-Shuttle der Stadt dann weiter zur Mathildenhöhe. Nicht der direkte Weg, aber auf jeden Fall schöner.

Welterbe-Besucher:innnen können statt des F/FU-Busses vom Bahnhof aus bequem die Straßenbahnen in die Stadt bis zum Schloss nutzen, die sehr häufig verkehren, und von dort in den kostenlosen Welterbe-Shuttle am Darmstadtium umsteigen. Das kostet auch nicht mehr als die Direktverbindung. Sie dauert allerdings durch das notwendige Umsteigen ein wenig länger, da der Welterbe-Shuttle „nur“ alle 30 Minuten und in zwei großen Bögen über den Ostbahnhof den Hügel hinauffährt. Dafür kann der Besucher aber unterwegs einen kleinen Zwischenstopp in der Darmstädter Innenstadt einlegen und zusätzlich einen Eindruck vom Schloss und dem lebendigen Marktplatz mit seinem historischem Rathaus gewinnen.

Das wäre die kurzfristige Lösung. Langfristig wäre tatsächlich der F/FU-Bus als perfekter „Welterbe-Bus“ eine attraktive Variante, wenn, wenn er denn nicht mehr hinter/unter dem Bahnhof starten würde, sondern an dessen Schauseite vorne. Auch müsste der Endpunkt, die Haltestellen-Situation auf der Mathildenhöhe, für den F/FU-Bus neu mitgedacht werden, mit entsprechenden Wegweisern für Ortsunkundige. Außerdem müsste er ganz zwingend in „M-Bus“ umgetauft werden…

Schließlich geht es mit ihm in einer Fahrt zur Mathildenhöhe Darmstadt und zur Grube Messel, der „World Heritage Liner“ sozusagen. Oder „U“-Bus, falls das „M“ schon belegt ist. Der UNESCO-Bus.

Liebe HEAG Mobilo, lieber RMV! Da müsste doch etwas zu machen sein. Entwickeln Sie die F/FU-Buslinie zu dem UNESCO-Erlebnisbus Ihrer Flotte! Damit machen Sie nicht nur der Stadt Darmstadt eine Freude, sondern ganz sicher auch vielen Welterbe-Besuchern in Darmstadt und Messel. Der ganz normale Tagesbetrieb bliebe davon ungestört. Der Heiner und die Heinerin könnten wie bisher und gewohnt den F/FU-Bus nutzen. Ein „Win-Win“, oder?

Ein Kommentar zu „Am Hauptbahnhof: Wo geht’s denn hier bitte zum Welterbe Mathildenhöhe?

  1. Bist noch nicht viel gereist? Darmstadt ist nicht nur Weltkulturerbe. Die Buslinien sind für ganz normale Bürger da, von denen die meisten gar nicht zum Welterbe wollen. eute kann man sich so wunderbar übers Internet informieren. Wie haben die Leute den Weg gefunden ohne Internet? Ging doch auch. LG Ulrike

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