




„Einen Rosengarten zu schaffen, wie man ihn in Deutschland noch nicht kannte“, das war die erklärte Absicht von Großherzog Ernst Ludwig, als er um 1900 ganz in der Nähe der Mathildenhöhe begann, einen englischen Landschaftsgarten, den er von Vater und Onkel geerbt hatte, auszubauen und zu gestalten. Die „Rosenhöhe“, die schon fast ein Jahrhundert so hieß, sollte ihrem Namen nun vollends gerecht werden. Ganz oben auf der Höhe des weitläufigen Geländes, das bis heute mit seinen uralten Baumriesen, den Mausoleen und den herrschaftlichen Gräbern der Großherzogsfamilien wie ein Ort fern von Raum und Zeit erscheint, fand er den geeigneten Ort für seine Pläne.
„Als Vorbild schwebte mir eine Anlage vor, die den Charakter der bezaubernden Rosengärten Italiens mit ihrer Blütenfülle und mit ihren Architektureinstreuungen mit dem Charakter der künstlerisch und blumenzüchterisch so hochstehenden Rosengärten Englands verbinden sollte.“
Man könnte sagen, was Joseph M. Olbrich in der Architektur mit seinen Künstlervillen auf der Mathildenhöhe machte, englische wie mediterrane Einflüsse zu verarbeiten und zu etwas Neuem zu verschmelzen, das gelang dem Darmstädter Großherzog auf dem ehemaligen „Busenberg“ der Stadt. Aus einem englischen Landschaftspark und Obstbaumkulturen, aus Stauden und Rosenanlagen entstand eine vollkommen neuartige Gartenlandschaft, die europaweit als Attraktion gepriesen wurde und sogar einen eigenen Namen bekam: der „Darmstädter Gartenstil“ war geboren.
Noch in seinen Erinnerungen daran, die er eigens schriftlich festhielt und die in einer kleinen Sonderpublikation mit dem Titel „Rosenhöhe“ veröffentlicht wurden, spürt man in jeder Zeile, wie viel Herzblut er in dieses Projekt, seinen Rosengarten, gesteckt hat. Jede Menge Erdarbeiten waren notwendig, viel Boden musste verschoben werden, bevor man in einem zweiten Schritt die Mauern und Treppen, die Ballustraden und Pergolen ziehen konnte, und in der Mitte als sein Herzstück den alles überragenden Rosendom errichtete. Wer heute die aktuellen Sanierungsarbeiten hoch oben auf dem Hügel verfolgt, sieht mit eigenem Auge, welche ungeheuren Erdmengen bewegt werden müssen, um allein die vier Kreuzbeete um den Rosendom zu sanieren und mit einem neuen, Ressourcen schonenden Bewässerungssystem zu versehen.






Durch die Gartenarchitektur und seine Terrassen, durch Wasserbecken mit Seerosen, durch Florentiner Blumenkübel in Terrakotta und Steinvasen erhielt die Rosenhöhe ihr italienisches Flair. Ihre überwältigende Blütenpracht entsprang an vielen Stellen ganz der englischen Gärtner- und im Falle des Enkels von Queen Victoria auch der Familientradition Ernst Ludwigs. Insbesondere Rosen spielten bei der Bepflanzung eine zentrale Rolle. Sein Gartenstil überraschte das damalige Fachpublikum mit einigen Neuerungen.
„Es waren das tausend Feinheiten, die man in jener Zeit in Deutschland zum großen Teil noch gar nicht kannte, wie das absichtliche Bepflanzen von Mauerritzen und Plattensteigfugen mit allerhand Gewächsen alpiner Herkunft […]. Auch die vielfachen Möglichkeiten, die die damals von England her sich mehr und mehr verbreitenden Schling- und Rankrosenarten gaben, wurden in jeder erdenklichen Weise von mir nutzbar gemacht und mit anderen Rankgewächsen, wie Geißblatt, Kapuzinerkresse, Winden oder Klematis, in malerische Verbindungen gebracht.“
Man weiß heute nicht mehr ganz genau, welche Rosensorten der Großherzog damals pflanzen ließ. Es existiert kein originaler Pflanzplan. Zu seiner Zeit war es üblich, Rosen gezielt zu züchten, so dass er vermutlich auf moderne Rosen, die erstmals 1867 mit der Teehybride „La France“ auf den Markt kamen, zurückgriff. Es wird in Ernst Ludwigs Rosengarten wohl auch viele Kletterrosen gegeben haben. Sicher überliefert ist die Existenz von Ramblersorten, die etliche Meter hoch wachsen, Bäume und Mauerwerk überranken. Diese werden auf der Rosenhöhe auch bald wieder erblühen. „Es wird aber noch ein paar Jahre brauchen, bis sie uns in ganzer Pracht erfreuen“, sagt Monika Dyballa vom Städtischen Grünflächenamt.
Ihre Leidenschaft gilt den neuen Beeten mit historischen Rosen, die nach einem von ihr entwickelten Pflanzplan 2018 und 2019 auf den oberen Terrassen westlich der Rosendom-Viertel angelegt wurden. Nach historischem Beispiel sind diese wunderbar in großflächige Staudenbeete eingewoben und ergeben zusammen mit diesen ein bezauberndes Doppel voller Üppigkeit und Farbenpracht. Es duftet, blüht und summt allerorten. Uralte Rosensorten finden sich hier wie etwa Bourbonrosen, Damaszenerrosen oder Portlandrosen mit so klangvollen Namen wie „Boule de Neige“, Petite Lisette“ oder „Comte de Chambord“. Manche dieser Rosen kann man heute noch auf Gemälden alter Meister entdecken. Für Liebhaber dieser Rosenklassiker öffnet sich hier ein kleines Paradies. Und auch wer Anregungen für ein prächtiges Staudenbeet im eigenen Garten sucht, kann hier einige Ideen mit nach Hause nehmen wie etwa den „Zottigen Ziest“, ein sehr hitzebeständiges Gewächs in leuchtendem Purpurviolett, eine Alternative zu Lavendel oder Salbei.





Ihr Wissen um historische Rosen und Stauden teil die Expertin gerne mit interessierten Besuchern, wie etwa kürzlich am 18. Juni. Ein Tag, der mit 37 Grad im Schatten nicht nur eine Herausforderung für die Rosenpracht war, die aber dank neuartiger Substrate und Drainagen im Boden auch solchen Extrembedingungen trotzen konnte – sichtbar besser als die Rosenliebhaber unter Hitzestress. Zwei Stunden dauerte der informative Rundgang, der erste des Jahres, der in zwei Gruppen à zehn Personen schnell ausgebucht war.
Ganz praktische Tipps zur Pflege moderner Rosen gab Ivana Zahlauer im unteren Teil der noch jungen, neuen Anlage des Grünflächenamtes: 35 verschiedene Beetrosen, ebenso viele Edelrosen, dazu jede Menge Informationsmaterial zu Züchtern, Wuchs und Farbe. Auch über das ADR-Prüfsiegel gab sie Auskunft: Eine Rose, die dieses trägt, hat die „Allgemeine Deutsche Rosenneuheitenprüfung“ bestanden, ist in 12 Prüfgärten über ganz Deutschland verteilt getestet worden und hat sich als eine besonders gesunde und widerstandsfähige Art ihrer Gattung herausgestellt. Mit einem Mythos räumte die Gartenfachfrau auch gleich auf: „Lavendel und Rosen sind keine ideale Kombination. Sie gedeihen auf unterschiedlichen Böden und sollten nicht zusammen gepflanzt werden.“
Für die beiden Expertinnen der Stadt Darmstadt ist es eine ganz besondere Arbeit, die sie hier auf der Rosenhöhe ausführen. Sie sind sich der großen historischen Aufgabe bewusst, die dieser einmalige Rosengarten an sie stellt, wobei sie das „Historisch“ auch nicht zu eng ausgelegt wissen wollen. Da sind sie ähnlich wie Ernst Ludwig einst, der sich sehr kreativ der Gartenkunst annahm und immer ein Förderer von Wandel, Fortschritt und Reformen war. So sind die Herausforderungen an Klima und der Gesundheit der Rosensorten heute andere als noch vor 100 Jahren. Eins ist über alle Zeiten hinweg gleich geblieben: die Magie eines Ortes, der wie kaum ein anderer die Schönheit der Rose feiert. Die unglaubliche Zahl von 10 000 Rosensträuchern ist heute auf dem weiten Parkgelände der Rosenhöhe zu sehen.
Es ist aber nicht der Großherzog, sondern eine Dame, mit der sich die Gartengestalterinnen besonders verbunden fühlen: Wilhelmine, die Großherzogin, die 1810 dieses Grundstück erwarb und es zu ihrer „Rosenhöhe“ anlegen ließ, ihrem ganz privaten Refugium im Grünen.
„Vor allen andern lächelt mir dieser Erdenwinkel.“



Originalzitate: Ernst Ludwig, Großherzog von Hessen: Rosenhöhe, Verlag zu Megede, Darmstadt, 1980
Der Förderverein Park Rosenhöhe wurde 1995 gegründet. Er hat mit Unterstützung von Spendern und Sponsoren zahlreiche Restaurierungsprojekte ermöglicht und unterstützt das städtische Grünflächenamt bei der Pflege und Erhaltung der historischen Gartenanlage. Mehr Informationen zu Mitgliedschaft und Spendenkonto finden sich auf der Webseite www.park-rosenhoehe.info.