Die kreativen Köpfe der Künstlerkolonie Darmstadt, vor allen Dingen die Generation der 1. Ausstellung von 1901, waren junge Männer als sie auf der Mathildenhöhe Teil des ambitionierten großherzoglichen Projektes wurden. Es sollte sie in der Kunst- und Architektenwelt schlagartig bekannt machen und das südhessische Darmstadt in eine Spitzenposition auf dem Weg in die Moderne katapultieren. Die beiden Jüngsten der „glorreichen Sieben“, die Großherzog Ernst Ludwig bis 1899 zu sich an die neu gegründete Künstlerkolonie nach Darmstadt berief, waren gerade einmal 20 und 21 Jahre alt als sie zu der experimentierfreudigen Künstlergruppe stießen. 26, 28, 30, 31 und 32 Jahre zählten die anderen anfangs.
Doch wie alt wurden sie eigentlich? Wer von ihnen lebte am längsten, wer starb als erstes? Und – lebten die nachfolgenden Generationen der Ausstellungen von 1904, 1908 und 1914 länger? 23 Quer blickt in das kurze oder lange Leben der Protagonisten und klärt auch die Frage, wer das letzte lebende Mitglied der Künstlerkolonie Darmstadt war.
Die sieben Künstler der 1. Ausstellung von 1901
| Name (Kolonist mit…) | Geburtstag, Ort | Todestag, Ort | Gestorben mit… |
| Patriz Huber (21) | 19.03.1878, Stuttgart | 20.09.1902, Berlin | 24 |
| Joseph M. Olbrich (31) | 22.12.1867, Troppau (A) | 08.08.1908, Düsseldorf | 40 |
| Rudolf Bosselt (28) | 29.06.1871, Perleberg | 02.01.1938, Berlin | 66 |
| Paul Bürck (20) | 03.09.1878, Straßburg | 18.04.1947, München | 68 |
| Peter Behrens (30) | 14.04.1868, Hamburg | 27.02.1940, Berlin | 71 |
| Ludwig Habich (26) | 02.04.1872, Darmstadt | 20.01.1949, Jugenheim | 76 |
| Hans Christiansen (32) | 06.03.1866, Flensburg | 05.01.1945, Wiesbaden | 78 |
Am längsten lebte erstaunlicherweise der Künstler, der auch der älteste der Künstlerkolonie bei ihrer Gründung war: Hans Christiansen wurde schon 1898 Mitglied, im Alter von 32 Jahren, und war somit schon von Anfang an der „Senior“ der Truppe. Er wurde 78 Jahre alt. Wer weiß, vielleicht hätte er noch länger gelebt, wenn seine letzten Lebensjahre in Wiesbaden nicht gezeichnet gewesen wären von Hunger und Krieg sowie von der Sorge um seine jüdische Frau. Ebenfalls über siebzig Jahre alt, 76, wurde auch der einzige Darmstädter, Ludwig Habich, der in der Darmstädter Brandnacht 1944 durch die starke Zerstörung des „Haus Habich“ auf der Mathildenhöhe obdachlos wurde und schließlich im Januar 1949 in Jugenheim verstarb. Peter Behrens war 71 Jahre alt als er 1940 in Berlin als bedeutender Architekt der Moderne starb. Er gehört damit zu den drei Künstlern von den ersten sieben, die über siebzig Jahre alt wurden.
Auch Paul Bürck, der jüngste der Künstlerkolonisten zur Jahrhundertwende in Darmstadt, erlebte noch den 2. Weltkrieg. Er starb 1949 und wurde 68Jahre alt. Rudolf Bosselt war bei seinem Tod 1938 in Berlin 66. Er erlebte den 2. Weltkrieg nicht mehr. Wie auch die beiden Kollegen aus den Tagen der Darmstädter Künstlerkolonie, die schon in sehr jungen Jahren ein schicksalhaftes Ende erlitten.
Die sehr früh Verstorbenen
Allen voran ist hier der frühe Tod des prägenden Architekten der Künstlerkolonie Darmstadt zu nennen und sein alles überstrahlendes Werk, das heute noch die Mathildenhöhe leuchten lässt: Josep M. Olbrich. Der mit nur 40 Jahren in Düsseldorf starb, plötzlich und unerwartet im Sommer der 3. Ausstellung, am 8. August 1908, von einer Leukämie aus dem Leben gerissen. „The good die young“ formulierte 23 Quer schon in einem früheren Beitrag zum tragischen Ende des in Darmstadt Begrabenen.

Ebenfalls sehr tragisch, wenn auch nicht so bekannt wie das Ende von Olbrich, war auch der frühe Tod von Patriz Huber, der als Möbelgestalter die Entdeckung der 1. Ausstellung der Künstlerkolonie von 1901 war. Er war einer der Jüngsten der Gründergeneration und sollte als ihr Erster sterben. Huber war nach Ablauf des dreijährigen Arbeitsvertrags 1902 von Darmstadt nach Berlin gegangen und hatte sich dort selbstständig gemacht. Im September des gleichen Jahres nahm er sich an der Spree das Leben. Eine unglückliche Liebe soll der Grund gewesen sein. In Gedenken an ihren im Alter von nur 24 Jahren so früh verstorbenen Kollegen fertigte Rudolf Bosselt eine Erinnerungsplakette an.
Die sehr alt Gewordenen
| Name (Kolonist mit…) | Geburtstag, Ort | Todestag, Ort | Gestorben mit… |
| Jakob J. Scharvogel (51) | 03.04.1854, Mainz | 30.01.1938, München | 83 |
| Theodor Wende (30) | 03.12.1883, Berlin | 06.02.1968, Pforzheim | 84 |
| Hanns Pellar (25) | 17.03.1886, Wien (A) | 20.08.1971, Wien (A) | 85 |
| Fritz Osswald (35) | 23.06.1878, Zürich (CH) | 24.08.1966, Starnberg | 88 |
Unter den insgesamt 23 Künstlern aller vier Ausstellungen auf der Mathildenhöhe Darmstadt erreichten auch vier das achte Lebensjahrzehnt. Bis auf Jakob J. Scharvogel, der als Keramiker für die Ausstellung von 1908 wirkte und der noch unter Joseph M. Olbrich tätig war, waren die anderen drei Künstler für die 4. und letzte Ausstellung von 1914 unter der Leitung von Albin Müller aktiv. Auffällig bei Scharvogel ist zudem sein Alter bei Eintritt in die Künstlerkolonie. Mit 51 Jahren ist es das mit Abstand höchste. In alle Regel waren sie – auch die Künstler der späteren Ausstellungen – jüngeren Alters, fast alle in ihren Dreißigern, einige sogar noch jünger, als sie zur Künstlergruppe stießen.
Das höchste Lebensalter aller von Großherzog Ernst Ludwig bis 1914 engagierten Künstler erreichte der gebürtige Schweizer Fritz Osswald. Der Maler wurde 88 Jahre alt. Mit dem Maler und Illustrator Hanns Pellar starb 1971 der letzte lebende Künstler der Darmstädter Künstlerkolonie mit 85 Jahren in Wien. Ein Österreicher wie schon Olbrich.
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