1908 – Freier Blick hinauf zum Tempel der Kunst

Ein Traum von einem Garten zog sich 1908 den Hang hinauf zum Ernst Ludwig-Haus. Von einem als „Auge“ kreisförmig gestalteten Wasserteich ging es durch einen symmetrisch gestalteten Garten, an Rosenbüschen, Hecken und Buchsbaum in Kübeln vorbei, durch ein Spalier haushoher Pyramidenpappeln, Treppe um Treppe, Terrasse um Terrasse immer weiter hoch, bis man ganz oben angekommen war, am „Tempel der Arbeit“, dem der Kunst geweihten, ganz in Weiß und Gold strahlenden Heiligtum und Thron: dem Ateliergebäude der Künstlerkolonie.

Schon zu den Ausstellungen der Künstlerkolonie von 1901 wie von 1904 war der Raum entlang der zentralen Nord-Süd-Achse gärtnerisch gestaltet. 1901 befand sich zwischen dem Kleinen Glückerthaus (links des Gartens) und dem Haus Habich (rechts des Gartens) eine öffentliche Rasenfläche. Diese war zu beiden Seiten gesäumt von einem Weg, der von dem unten gelegenen Haus für Flächenkunst, das nur für die Dauer der Ausstellung von 1901 errichtet wurde, hinauf zum Ateliergebäude führte. 1904 sieht man am Südhang auf der ehemaligen Ausstellungsfläche bereits eine Pracht mit grüner Achse, die in den Folgejahren weiter entwickelt und ausgestaltet wurde – bis zur fantastischen Terrassenanlage von 1908, entworfen von Joseph Maria Olbrich.

Mit Auflösung der Künstlerkolonie nach dem Ersten Weltkrieg und dem Fehlen einer zentralen gestaltenden Hand verschwand die so meisterhafte, ursprüngliche Parkanlage schnell und wurde durch üppiges Grün überwuchert. Heute ist diese Achse kaum wiederzuerkennen, dichter Baumbestand und hohe Büsche versperren von oben wie unten die Sicht zwischen den Gebäuden, die in privater Hand sind. An die grandiose Gartenterrasse von 1908 erinnert jedoch noch der vollständig zugemauerte originale Sandsteinbogen am Prinz-Christians-Weg. Er ist auf der historischen Aufnahme ganz unten gut zu erkennen, nur das sein Halbrund damals statt Backstein ein üppig blühender Rosenbusch füllte.

***


Literatur- und Bildnachweis:

Wahmann, Birgit: Gärten der Mathildenhöhe In: Stadt Darmstadt, Kulturverwaltung und Hochbau- und Maschinenamt: Mathildenhöhe Darmstadt. 100 Jahre Planen und Bauen für die Stadtkrone 1899-1999, Band 1: Die Mathildenhöhe – ein Jahrhundertwerk, Darmstadt, 1999, 2. Auflage, 2004, S. 76 – 77 (historische Aufnahme sowie Gartenplan); Aufnahme des zugemauerten Rundbogens unten: Petra Wochnik.

Hinterlasse einen Kommentar