Das große Familientreffen: die UNESCO in Darmstadt

Volles Haus bei der UNESCO-Jahrestagung 2025 (© Darmstadt Marketing, Julia Essl)

54 deutsche Welterbestätten zählt die UNESCO momentan. Kein Wunder, dass es eng wurde zum Gruppenbild im Wilhelm Köhler-Hörsaal im alten Hauptgebäude der Technischen Universität in Darmstadt. Für die jährliche Tagung, zu der der Verein der UNESCO- Welterbestätten gemeinsam mit der Deutschen UNESCO-Kommission einlädt, fiel die Wahl 2025 auf Darmstadt und Messel. Vorträge, Exkursionen und viel Austausch untereinander bot das mehrtägige Programm, bei dem sich vom 23. bis 25. April alles um „Innovative Wege der Welterbevermittlung“ drehte.

Anja Herdel, Geschäftsführerin von Darmstadt Marketing und Tourismus-Chefin der Stadt, und Philipp Gutbrod, Direktor des Institut Mathildenhöhe Darmstadt und verantwortlich für die Darmstädter UNESCO-Welterbestätte, waren die gemeinsamen Gastgeber und nutzten die Gelegenheit, dem Familienbesuch aus ganz Deutschland Darmstadt und seine Stadtkrone auf der Mathildenhöhe vorzustellen. Selbstverständlich gab es auch Gelegenheit, Deutschlands erstem UNESCO-Weltnaturerbe, der Grube Messel, einen Besuch abzustatten.

Die Keynote des Hauptprogramms sprach Ralf Beil, Generaldirektor des UNESCO-Welterbes Völklinger Hütte: „Quo Vadis, Weltkulturerbe?“ Während vorher viele Fragen um das „Wie“ der Vermittlung diskutiert wurden und welcher Weg nun der bessere sei – ob analog, digital oder vielleicht ganz innovativ mit Unterstützung von KI – ging es Beil um das für ihn viel Wichtigere „Was“.

Was soll eigentlich beim Besuch und in der Kommunikation als Botschaft an das Publikum transportiert werden? Reicht es aus, nur Denkmal und Kulisse für schöne Selfies zu sein? Ein Vehementes „Nein“ dazu von seiner Seite: „Vom Monument zur Bewusstseinsmaschine“, das sei für UNESCO-Welterbestätten das Gebot der Stunde.

Zur Geschichte jedes Monuments, jeder Welterbestätte, gibt es die Geschichte der Menschen, die dort gewirkt haben.
Wir müssen den Spuren der Menschen folgen.

Ralf Beil

Den Menschen, dem Immateriellen jeder Welterbestätte, gelte es mehr Gewicht zu geben in der Vermittlungs- und Kommunikationsarbeit der Zukunft. Was waren die Bedingungen, unter denen alles heute Schützenswerte einmal entstand? Seine provokante These: „Fast jedes Weltkulturerbe fußt mittel- oder unmittelbar auf Sklaverei, Zwangsarbeit oder zumindest Ausbeutung von Mensch, Tier und Umwelt.“ In Bezug auf die Mathildenhöhe Darmstadt, dessen Institut Beil von 2006 bis 2015 geleitet hat, hätten erst die rauchenden Schlote der sich industrialisierenden Stadt die Voraussetzung für den großbürgerlichen Jugendstil ermöglicht. Alles hänge mit allem zusammen. Daher sei es um so wichtiger, Geschichte zu vergegenwärtigen, aus ihr zu lernen und Bezüge zu heute zu entwickeln. Kapitalismus, Kolonialismus, Krieg und Klimaveränderung seien heute die virulenten Themen, die sich jeder und jede Verantwortliche einer UNESCO-Welterbestätte stellen müsse: „Es geht um alles, weil es um alles geht.“

***

Hinterlasse einen Kommentar