Wenn man es nicht wüsste und er nicht jedes dieser amüsanten Kunstwerke signiert hätte, dann würde man ihn nie hinter diesen witzigen Postkarten vermuten, die Anfang des 20. Jahrhunderts der letzte Schrei waren und ihren Zeichner schlagartig bekannt machten: Friedrich Wilhelm Kleukens. Bevor der Illustrator nämlich 1906 an die Künstlerkolonie nach Darmstadt kam, um als Professor zu lehren und die Ernst Ludwig-Presse zu leiten, war er Gründungsmitglied einer jungen Kreativagentur, die damals die Branche aufmischte: die Steglitzer Werkstatt. Sie bestand nur kurz, von 1900 bis 1903, gilt jedoch als die erste Werbeagentur Deutschlands. Mit viel Witz und und Einfallsreichtum begründeten sie das, was sich später Reklame nennen sollte.
Sie gestalteten Werbeplakate, Verpackungsmaterialien, Produktwerbung, und gaben eben jene Künstlerpostkarten heraus, die schon damals begehrte Sammelobjekte waren. „Seine Kater-, Frosch- und Marabukarten erregten ein allgemeines Aufsehen durch die starke Urwüchsigkeit“, erinnerte sich sein Geschäftspartner Fritz Helmuth Ehmke noch Jahre später in einem Artikel über die „Bahnbrecher der deutschen Plakatkunst“ an Kleukens (Das Plakat, 1920). Hier noch weitere tierisch gute Beispiele aus seiner Zeichenfeder:
Die Steglitzer Werkstatt war ein Name in der Szene, selbst Peter Behrens schaute mal in ihren provisorischen Büros in der Dachkammer vorbei, stand vielleicht sogar vor der Druckpresse im Hühnerstall. Ein richtiges Start-Up, so würde man den Berliner Betrieb heute wohl nennen. Ihr großer Erfolg besiegelte letztendlich auch ihr schnelles Ende, denn es gab für die drei kreativen Gründer lukrative Angebote aus Industrie und Lehre – Kleukens zog es 1903 für einen Lehrauftrag an die Staatliche Akademie für graphische Künste und Buchgewerbe nach Leipzig.
Schon zur Steglitzer Zeit hatte Kleukens drei Bücher illustriert, ein Gedichtband und zwei Kinderbücher. Wenn sie auch nur diese drei Bücher herausbrachte, gilt die Steglitzer Werkstatt als Keimzelle der deutschen Buchkunstbewegung. Groß heraus kam Kleukens als Buchillustrator jedoch 1905 mit einem Band für den Leipziger Insel-Verlag. Auch diesesmal wurde es tierisch, weswegen man den für seine außerordentlich guten Tierzeichnungen so bekannten Kleukens wohl auch verpflichtete: Gockel, Hinkel, Gackeleia, ein Märchen von Clemens Brentano.
Als Leiter der Ernst Ludwig-Presse in Darmstadt gab es für Friedrich Wilhelm Kleukens später jedoch kaum Gelegenheit, der tierischen Leidenschaft als Illustrator nachzugehen.
Erst gegen Ende seiner fast achtjährigen Zeit auf der Künstlerkolonie, die er wegen zunehmender Spannungen mit seinem Verleger sowie seinem Bruder selbst aufkündigen sollte (siehe auch das Portrat über die Ernst Ludwig-Presse), konnte er sich bei zwei Büchern wieder tierisch entfalten: Reinke Voß, eene ole Geschichte, upt Nee vertellt, die sein Bruder Christian Heinrich Kleukens auf Plattdeutsch neu verfasst hatte, sowie Das Buch der Fabeln mit über 250 Fabeln antiker bis zeitgenössischer Autoren sowie Volksdichtungen und Fabeln aus Asien, Afrika und Nordamerika. Beide erschienen 1913 in der Ernst Ludwig-Presse und wurden über den Leipziger Insel-Verlag vertrieben.
Nach dem 1. Weltkrieg, zu dem Kleukens wie sein Bruder eingezogen wurde, hat man den Eindruck, ein neuer Mensch ist zurückgekehrt. Oder ganz der alte. Denn er gründet mit der Ratio Presse 1920 in Darmstadt einen eigenen Verlag, der ganz entschieden auf das mit Originalgrafik illustrierte Buch setzte. Vor genau hundert Jahren erschien dort als erster Druck eine Edition mit 54 Blättern: Das Vogel-ABC.
Diese entzückenden handkolorierten Lithographien scheinen den Jugendarbeiten des Künstlers aus seiner Steglitzer und Leipziger Zeit viel näher zu stehen als etwa seinen graphischen Arbeiten für die Ernst Ludwig-Presse, deren prunkvoll architektonischer Stil auf eine fast entgegengesetzte Entwicklung zu weisen schien. (Konrad F. Bauer, 1929)
Diesen neuen, alten Stil setzte er mit aller Konsequenz fort. Seine Zeichnungen sind dabei immer von ungeheurem Witz. Wie kein anderer versteht er es, seinen tierischen Gestalten nur allzu Menschliches einzuhauchen, werden seine Zeichnungen so auch immer zur liebevollen Satire. Man glaubt es kaum, aber das ist alles Friedrich Wilhelm Kleukens. Welch ein Gegensatz zu seiner Zeit auf der Künsterkolonie! Da hat sich wohl jemand befreit und ist zu seinem Kern zurückgekehrt.
Neben Illustrationen amüsanter Tiergeschichten, wie Die Flohhatz ganz rechts, gibt er in seinem kleinen Verlag auch Werke im Plattdeutsch seiner Bremer Heimat heraus (Allerhand Voagels und Uezepoggen und Dat Wettloopen twischen den Swinegel un den Haasen).
In den Zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts wendet Kleukens sich verstärkt der Malerei zu. Er bereist viele Länder und lebt von 1930 bis 1936 mit seiner Familie auf Mallorca. Der Spanische Bürgerkrieg zwingt ihn jedoch dazu, das Land zu verlassen und wieder nach Darmstadt zurückzukehren.
Dort wird sein Haus im Weberweg 6 bei den Fliegerangriffen im 2. Weltkrieg total zerstört wie auch seine Arbeitsräume bei der Firma Stempel in Frankfurt, für die er lange im künstlerischen Beirat tätig war. Nach dem Krieg baut Kleukens sich mit 67 Jahren nochmals eine neue Existenz als freischaffender Maler und Zeichner in Nürtingen bei Stuttgart auf, wo er am 22. August 1956 im Alter von 78 Jahren stirbt.
Und so kennen wir ihn eigentlich
Auf der Künstlerkolonie Darmstadt, deren Mitglied er von 1906-1914 war, ist Friedrich Wilhelm Kleukens vor allem durch viel Gold in Erinnerung geblieben und moderner, höfischer Eleganz. Man denke dabei an sein von Gold gerahmtes Kuss-Mosaik im Hochzeitsturm, das reich dekorierte Buch Esther oder das schwarz-goldene Plakat für die Hessische Landesausstellung von 1908 auf der Mathildenhöhe.
Literatur:
Viel Hintergrund und Informationen zu Friedrich Wilhelm Kleukens in Bezug auf die Ernst Ludwig-Presse finden sich in einem schmalen Spezialband, der in der Hessischen Landes- und Hochschulbibiliothek Darmstadt ausleihbar ist. Aus ihm stammen auch die antiquarischen Buchabbildungen, die abfotografiert und bearbeitet diesen Artikel illustrieren:
Aus der Sammlung Barbara Achilles-Stiftung (Hrsg.): Die Pressen der Brüder Kleukens. Mit einem bio-bibliographischen Abriss von Theo Neteler, Verband Deutscher Antiquare e.V., Stuttgart 2015
Ganz tief ins Detail, in Leben und Werk von Friedrich Wilhelm Kleukens (und seinem Bruder Christian Heinrich), geht das online verfügbare Nachschlagewerk des Kleukens Archiv, das der Darmstädter Harald Ernstberger in jahrzehntelanger Arbeit aufgebaut hat.
***
Hallo,ich besitze eine Postkarte nach einem Aquarell von Kleukens ,geschrieben von Ihm aus Mallorca 34′ n.Darmstadt an einen Zahnarzt namens Bauer ,inder er sich für seine Goldkrone bedankt und eine zweite AK von Ihm aus Taormina mit einem Gruss( orginal) auch v.seiner Frau.
LikeLike